Landkreis Harz schiebt einen Riegel vor Haushaltssperre für das Welterbe Quedlinburg
Stadtrat akzeptiert Auflage der Kommunalaufsicht. Warum künftige Finanzierung der Feininger-Galerie für Diskussion sorgt.

Quedlinburg - Der Beschluss des Quedlinburger Stadtrates ist am Ende einstimmig: Gegen die Verfügung des Landkreises Harz, laut der der Oberbürgermeister eine Haushaltssperre verhängen muss, wird kein Rechtsmittel eingelegt. Auch wenn sich gegen den Inhalt des Beschlusses an sich niemand aussprach - schnell gefasst wurde er nicht: Es gab einige Fragen, und eine Rolle dabei spielte auch die künftige Finanzierung der Feininger-Galerie, über die derzeit in den Gremien des Kreistages diskutiert wird (die MZ berichtete).
Ausgaben im „Wohlfühlbereich“
„Zunächst ist zu begrüßen, dass der Landkreis unseren Haushalt nicht beanstandet“, sagte Oberbürgermeister Frank Ruch (CDU) eingangs der Sondersitzung des Stadtrates. Die zu verhängende Haushaltssperre nannte er einen „Wermutstropfen“. Sie sei aber auch „aktuell das Mittel der Wahl der Kommunalaufsicht, für Kommunen, die eine angespannte Haushaltslage haben“. Denn die Pflicht zu konsolidieren, sei aktuell wegen der Corona-Pandemie ausgesetzt. Und die Haushaltssperre das Signal an die Kommunen, bei Ausgaben, mit denen sie sich „in den Wohlfühlbereich“ begäben, deren Notwendigkeit genau zu prüfen und kritisch auf Neuausgaben zu schauen. Für die Stadt sei das „Motivation, dass wir uns intelligent haushaltsrechtlich disziplinieren“, so der Oberbürgermeister weiter.
Nur noch Ausgaben, die „rechtlich unaufschiebbar“ sind
Mit der Haushaltssperre dürften nur noch Ausgaben bzw. Maßnahmen erfolgen, zu denen die Stadt „rechtlich unaufschiebbar verpflichtet“ bzw. die für die Weiterführung „notwendiger Aufgaben unabweisbar“ seien, erklärte Kerstin Frommert, Fachbereichsleiterin Finanzen. Mit Blick auf die in diesem Jahr geplanten Arbeiten auf dem Stiftsberg, für das Freizeit-, Sport- und Erholungsareal in der Lindenstraße oder den Ausbau der Reichenstraße fügte sie hinzu, dass der Landkreis deutlich gemacht habe, „unsere Projekte weiter zu unterstützen“. Sie sagte aber auch: „Wir werden alle Maßnahmen, die wir noch nicht begonnen haben, noch einmal auf den Prüfstand stellen, ob man sie aufschieben oder ganz auf sie verzichten kann.“
Christian Wendler (Bürgerforum) fragte nach, ob der geplante Rückkauf des Kurzentrums auch als freiwillige Aufgabe zähle. Frank Ruch verneinte das, „weil wir uns verpflichtet haben, nicht Eigentümer zu bleiben“. Das sei mit der Kommunalaufsicht abgestimmt.
„Ich denke, wir sind uns der Ernsthaftigkeit der Situation nicht bewusst, die auf uns zukommt“
Wer lege fest, welche Maßnahmen unter die Haushaltssperre fielen, fragte Reinhard Fiedler (AfD) nach. Der Stadtrat habe den Haushalt beschlossen; werde er auch involviert, wenn gekürzt werde? Bei Ausgaben der laufenden Verwaltung solle das „in Selbstverpflichtung erfolgen“, so Frank Ruch. Sollten „geplante Ausgaben mit Auswirkungen“ gestrichen werden, auf die die Räte auch angesprochen würden, werde das mit dem Rat diskutiert.
Wie zuvor schon Christian Wendler blickte auch Christian Schickardt (SPD) vor dem Hintergrund der Haushaltssperre und dann weiterer Konsolidierung mit Sorge auf die finanzielle Situation der Stadt. „Ich denke, wir sind uns der Ernsthaftigkeit der Situation nicht bewusst, die auf uns zukommt“, sagte Schickardt. „Ja“, sagte Frank Ruch, „die Situation ist ernst. Wir müssen etwas tun. Aber es ist nicht so, dass wir in den kommenden Jahren nichts machen können.“ Frank Ruch verwies im Zusammenhang einmal mehr darauf, dass die Stadt eigenes Geld aufwende für den Erhalt des Welterbes - in diesem Jahr mehr als eine Million Euro. „Man sollte endlich anerkennen, dass das eine Pflichtaufgabe ist.“
Mehr Ausgaben für die Feininger-Galerie werden von der Stadt erwartet, denn der Landkreis will sich zurückziehen
„Die untere Kommunalaufsicht und der Landrat scheinen nicht allzu viel miteinander zu kommunizieren“, stellte Detlef Tichatschke (Linke) fest und begründete: Der Landrat erwarte von der Stadt mehr Ausgaben für die Feininger-Galerie - der Kreis will sich zurückziehen, die Stadt soll mehr Geld geben -, die Kommunalaufsicht schreibe, die Stadt dürfe keine neuen freiwilligen Aufgaben übernehmen. „Ich denke, diesen Ball sollten wir an den Landkreis zurückspielen“, sagte Detlef Tichatschke.
Susan Sziborra-Seidlitz (Grüne) erklärte, dieses Argument mit in den Kreistag nehmen zu wollen. Sie warb zudem dafür, dass die Vertreter aller Parteien im Kreistag gemeinsam dafür sorgen sollten, dass der von der Kreisverwaltung vorgelegte Beschlussvorschlag - die Kündigung des aktuellen Finanzierungsvertrages und eine Neuverhandlung - „in seiner Gesamtheit abgelehnt wird“.
Zuschuss soll im Jahr 2022 verdoppelt werden - finanziert über die Kurtaxe
Frank Ruch verwies darauf, dass die Galerie für die Stadt eine „hohe Priorität“ habe, eine Einrichtung „von nationaler, wenn nicht internationaler Bedeutung“ sei. Verwaltung und Fraktionsvorsitzende hätten sich darauf verständigt, im Haushaltsjahr 2022 den Zuschuss der Stadt von 10.000 auf 20.000 Euro zu verdoppeln und sich in einem mittelfristigen Zeitraum eine weitere Erhöhungen bis zu einem mittleren fünfstelligen Vertrag vorstellen zu können. Dann sei das Ende erreicht, Quedlinburg im Finanzierungsverbund aus Landkreis, Land, Kulturstiftung und Stadt auch der „kleinste Partner“.
Mit Blick auf den Hinweis des Landrates, die Stadt könne ihren Anteil für die Feininger-Galerie über die Kurtaxe finanzieren, erinnerte Frank Ruch an die jüngste beschlossene Erhöhung der Abgabe: „Wir haben von 2,50 auf 3 Euro erhöht, weil wir einen Bedarf von 3,82 Euro haben. Wir sind aktuell schon unterfinanziert.“ Deshalb, so der Oberbürgermeister, greife der Hinweis des Landrates nicht. „Es ist kein Weg, den der Landrat uns hier aufzeigt, sondern ein Drahtseilakt.“ (mz)