Harz Harz: Tschang-Pi macht Werbung
WERNIGERODE/MZ. - Sie haben alle Spaß, ob sie nun arbeiten müssen oder auf Skiern die Piste hinuntersausen. Selbst der Patient auf der Pritsche lacht bis über beide Ohren, als er den Arzt mit dem Hörrohr an seiner Seite sieht. Im Puppenland ist's schön, das zumindest vermittelt die diesjährige Weihnachtsschau im Wernigeröder Harzmuseum. Dabei handelt es sich bei den dort Ausgestellten um ganz besondere Exemplare.
Die bis zu 60 Zentimeter hohen Puppen kommen allesamt aus der Oberlausitz und sind die letzten Zeugen einer Firma, die es längst nicht mehr gibt und über die kaum etwas bekannt ist. Sie tragen den Stempel "E. M. Köhler" auf ihren Füßen; das kleine Unternehmen hatte seinen Sitz in Schirgiswalde. Dort, im Südosten Sachsens, entstanden die speziellen Schaufensterdekorationen in Handarbeit, jedes Püppchen war ein Unikat. Das ging so bis 1964, dann wurde die Produktion eingestellt. Der damalige Besitzer sei in den Westen gegangen, um einer Verstaatlichung seines Unternehmens zu entgehen, werden Ausstellungsbesucher aufgeklärt. Eine Schwarz-Weiß-Fotografie zeigt den Firmenchef im Kreise seiner acht Mitarbeiter.
Wie Köhlers Schaufensterpuppen schlussendlich in den Harz gelangt sind, wird nicht erklärt. Auch die Frage, wie sie ausgerechnet ins Depot der Sparkasse in Wernigerode kamen, lässt sich nicht beantworten. Ein Dutzend von ihnen schlummerte dort jahrelang "gut verwahrt", bis es von Mitarbeitern zufällig im Magazin entdeckt wurde. Das Geldinstitut vermachte den überraschenden Fund im vergangenen Jahr dem Harzmuseum.
Dort wurde man neugierig. Auf der Suche nach Informationen zur Firma "E. M. Köhler" nahmen die Museumsmitarbeiter Kontakt zu einem Sammler aus Schirgiswalde auf, der nicht nur Puppen, sondern auch eine ganze Menge von Musterkarten zu einzelnen Produkten hatte. Diese Musterkarten - und rund 60 Puppen aus der Privatsammlung Löbmann - sind nun in Wernigerode zu sehen.
Auf den vergilbten DIN A 5-Blättern lässt sich anhand von Stichpunkten der Werdegang der kleinen Werbeträger nachvollziehen. Ein Foto zeigt den jeweiligen Entwurf der Puppe, etwa "Tschang-Pi". Der kleine Chinese entstand 1948, genauso wie "Mekro" - ein "Polareskimo" - oder der namenlose "Mohr" und "Jack", der Cowboy. Wofür genau diese vier Werbung machen sollten, ist allerdings nicht bekannt.
Dass aber kräftig für die Puppen geworben wurde, lässt sich im Harzmuseum nachlesen. Dort verweist man auf "Das HO-Schaufenster im Fünf-Jahr-Plan", Ausgabe zwei des Jahres 1951: "Die Dekora 40 ist mit zwölf Gelenken ausgestattet und kann in jeder Stellung (sitzend, stehend, liegend) dekoriert werden", heißt es im Text. "Haltbarkeit und Einsatzmöglichkeiten sind unbegrenzt, Stoffe und Farben sind lichtecht."
Mehr noch - keiner der liebenswerten kleinen Gesellen hat seinen Charme verloren. Manche haben hier und da Blessuren davon getragen, doch das macht sie nicht weniger liebenswert. Im Gegenteil. Die Ausstellung zeigt, wie witzig Schaufensterdekorationen einst sein konnten.
"Die Arbeitswelt der Puppen" ist bis zum 11. Februar 2012 im Harzmuseum Wernigerode zu sehen.