Harz Harz: Keine Angst vor der Langeweile
SILBERHÜTTE/MZ. - Ruhestand. Das klingt unwirklich bei Falk Schilling. Der Mann in Jeans, weißem Hemd und Krawatte ist ein Energiebündel, das sich spätestens um 6 Uhr morgens ins Büro setzt. Gedanken ans Pensionärsleben kommen da nur schwer auf. Doch an seinem 65. Geburtstag nahm Falk Schilling Abschied von der Pyrotechnik Silberhütte, jener Firma, die er 15 Jahre lang geführt hat. Jetzt ist ein Nachfolger am Zug.
Der studierte Maschinenbauer Uwe Müller, 41 Jahre alt und aus Celle in den Unterharz gekommen, hat die Geschäfte übernommen. Er arbeitet seit 1995 bei der Rheinmetall Waffe Munition GmbH, zu deren Niederlassungen auch die Pyrotechnik Silberhütte gehört. "Der Standort hat noch viel vor sich", sagt Müller. Er weiß, dass ein stetiger Wandel nötig ist, wenn in Silberhütte weiter mit Erfolg gearbeitet werden soll. So hat es auch Falk Schilling gehandhabt. Er kennt das Unternehmen seit mehr als 30 Jahren und war 1990 maßgeblich an dessen gelungener Privatisierung beteiligt. Heute sind dort rund 240 fest angestellte Mitarbeiter beschäftigt.
Als Falk Schilling 1995 die Pyrotechnik als Geschäftsführer übernahm, steckte sie "tief in den roten Zahlen". Inzwischen habe sich der Umsatz mehr als verdreifacht. "Bei den Löhnen gibt es jedes Jahr eine Erhöhung, doch auf Westniveau sind wir noch lange nicht, was ich nicht gut finde", sagt er. "Aber die Leute müssen merken: Es bewegt sich was." Auch ein Grund dafür, warum zuerst Räume für die Angestellten hergerichtet wurden; die Renovierung des Sitzungsraums konnte warten. Er habe die Pyrotechnik immer so geführt, als wäre sie sein eigener Betrieb, betont Falk Schilling. Das hieß auch, sich nicht nur auf ein Geschäftsfeld zu konzentrieren.
Zeitweise war er auch sein eigener Herr - von 1991 bis 1994, als geschäftsführender Gesellschafter der Silberhütte Maschinenbau GmbH. Bis ihn Rheinmetall zurückholte mitsamt seiner Philosophie, sich auf mehrere Geschäftsfelder zu konzentrieren. Wohl auch das hat dem Betrieb das Leben gerettet, der in DDR-Zeiten für viele der Inbegriff von Feuerwerk war. Denn als im Jahr 2000 die Herstellung ziviler Feuerwerksprodukte fast vollständig eingestellt wurde, brachen rund 50 Prozent des Umsatzes weg: "Das müssen Sie erstmal ausgleichen", sagt Falk Schilling, der Unternehmer des Jahres 2003. In Silberhütte gelingt das mit der Produktion von Zubehör für die Automobilindustrie und so genannten "nicht letalen", also nicht tödlichen Produkten in der Wehrtechnik, zum Beispiel Signal- und Nebelraketen.
Was ein Chef zu leisten hat, weiß Falk Schilling seit seinem 25. Lebensjahr. Damals besetzte er als Abteilungsleiter für Sonder- und Werkzeugbau im Druckguss- und Kolbenwerk Harzgerode zum ersten Mal eine Leitungsposition. "Seitdem gab es immer Erweiterungen, war ich immer unter Druck." Zeit für Privates blieb in all den Jahren nur wenig. Das will Falk Schilling jetzt nachholen und Dinge tun, zu denen er seit Jahrzehnten nicht gekommen ist. Angst vor Langeweile hat er nicht: "Ich muss aufpassen, dass ich mich nicht verzettele." Soll er doch innerhalb des Rheinmetall-Konzerns eine Beraterfunktion einnehmen und sich auch um spezielle Projekte kümmern. Das liegt wohl an seinem Stand im Unternehmen. "Wenn ich Vorschläge unterbreite, wird zugehört", sagt er.
Ansehen hat sich Falk Schilling auch in seinen vielen Ehrenämtern - beinahe ein Dutzend - erworben. Auch die will der Mann aus Silberhütte weiterführen, der sich unter anderem als Vorstandsvorsitzender des Landesverbandes Kinder- und Jugenderholungszentrum (Kiez) sowie des Wintersportvereins Harzgerode engagiert. Außerdem ist er Feuerwerker mit Leib und Seele. Besonders gern erinnert er sich an die "Materialschlacht" zur Bundesgartenschau 1999 in Magdeburg: "Da haben wir mit 15 Leuten eine Woche lang das Feuerwerk aufgebaut." Ein Jahrhundertfeuerwerk sei das gewesen, mit 400 000 Zuschauern. Auch im Vorharz lässt er es gern krachen, zuletzt beim ersten Opernball der Stadt Ballenstedt im Mai.