Harz Harz: Im Schweinestall wird Kunst gemacht
THALE/MZ. - Was ist zuerst da? Das Fundstück oder das Thema? Eberhard Bein klärt auf: "Erst ist das Fundstück da. Dann wird überlegt, was es werden kann." Fundstück ist meistens Holz, verwittert, naturgeformt. Das, was es werden kann, ist ein ganz besonderes Kunstwerk, bei dem Holz und Leinwand miteinander zu verschmelzen scheinen. Skulpturenbilder nennen Traute Wülfing-Severin und Eberhard Bein diese Werke, die im Atelier in Ditfurt entstehen. Der ehemalige Schweinestall des elterlichen Hofes von Traute Wülfing-Severin ist zur Geburtsstätte von Kunst geworden. Hier wird gemalt, hier werden Holzstücke gesäubert und verfestigt, hier wird diskutiert und gestritten.
Zum Beispiel darüber, welche Farbe und welches Motiv am besten zu dem fragmentarischen Rest eines Holzpfostens mit Stacheldraht passt. Das Fundstück war einst Bestandteil eines Konzentrationslagers im Halleschen Stadtteil Mötzlich, Außenstelle von Buchenwald. Das Leinwandstück von Traute Wülfing-Severin dazu war Bein viel zu schön. "Ich habe darin eher ein Motiv aus einem Patrick-Süßkind-Roman gesehen", sagt er. Jetzt heißt das Kunstwerk "Parfüm" und ist mit anderen Naturmaterialien versehen. Das Pfostenholz fand einen passenderen Rahmen.
Beide Kunstwerke gehören zu der neuesten Sonderausstellung in der Galeriekapelle des Thalenser Hüttenmuseums, die am Sonnabend eröffnet wurde. Diese Schau ist etwas ganz Besonderes. "Es ist die erste, in der wir Holz und Leinwand in dieser Kombination zeigen. Die Ausstellung ist also eine Premiere für uns", freut sich Wülfing-Severin, die die künstlerische Zusammenarbeit mit dem Ehemann ihrer Kindergartenfreundin sehr schätzt.
"Holz trifft Leinwand" war bereits einmal der Titel einer Ausstellung, die beide Künstler gemeinsam hatten. Diese wurde in Ditfurt gezeigt. Damals, vor drei Jahren, waren die Holzobjekte von Bein und die Bilder von Wülfing-Severin "irgendwie voreinander, nebeneinander und so ähnlich gestellt", erinnern sich die beiden. Das habe ihnen gar nicht gefallen, und damals sei die Idee entstanden, beides enger miteinander zu verbinden. Inzwischen ist "Holz trifft Leinwand" zum Arbeitsmotto und zum Kunstthema geworden.
Die Skulpturenbilder aus dem Ditfurter Schweinestall-Atelier laden den Betrachter geradezu ein, seine eigenen Gedanken spazieren gehen zu lassen. "Jeanne d' Arc" nennen die beiden Künstler ein Werk, auf dem auf lichtem hellen Grund Rindenstücke einen menschlichen Körper erahnen lassen. Don Quichotte könnte es auch heißen. "Unterschiedliche Interpretationen sind gewollt, wir sind sehr offen dafür", sagt Bein. Er ist derjenige in dem Duo, der mit offenen Blicken durch die Natur streift und immer wieder besondere Stücke findet. Manch einer würde erst auf den dritten oder vierten Blick etwas Künstlerisches darin erkennen. Anders Bein. "Er hat ein Auge für das, was am Wegesrand liegt. Das hat er perfekt entwickelt", bewundert seine Kunstpartnerin ihn. Und Bein setzt hinzu, dass er manches Mal auch "Depots" in der Natur anlegen würde. "Ich suche viel nach umgestürzten Bäumen und sehe fast jedes Jahr nach, wie weit sie sich verändert haben. Irgendwann hebe ich dann ein Stück davon auf und unterbreche so den Verfall der Natur", erklärt er seine Arbeit.
Die Thalenser Ausstellung macht auf beeindruckend vielfältige Weise deutlich, wie Kunst Fundstücken aus der Natur ein neues Leben geben kann. Da sind beispielsweise der "Tanz der Wirbel" oder der "Maskenball", bei denen entsprechend natürlich geformte Holzstücke das Thema vorgeben und durch die enge Verbindung mit der Malerei in einem völlig neuen Licht stehen. "Wir dachten anfangs nicht, dass das Ganze so vielseitig ist, dass man das Thema so ausreizen kann", gestehen die beiden, die längst jede Menge neue Ideen haben. Auf die Ergebnisse darf man durchaus sehr gespannt sein.
Die Ausstellung "Holz trifft Leinwand" in der Galeriekapelle des Hüttenmuseums Thale ist bis zum 27. November zu sehen. Das Museum in der Walter-Rathenau-Straße 1 hat im Oktober dienstags bis freitags von 9 bis 17 Uhr und an den Wochenenden von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Ab November kann das Haus dienstags bis sonntags von 9 bis 17 Uhr besucht werden.