Harz Harz: Ein ganzes Dorf feiert 1.050 Jahre
BADEBORN/MZ. - Sonnabendnachmittag, kurz nach drei. Aus allen Richtungen strömen Gespanne, motorisierte Gefährte und kostümierte Badeborner herbei. Hier und da wird letzte Hand angelegt, eine schmückende Girlande zurechtgezupft, eine Blume ins Stroh gesteckt. Mit dabei sind auch die Familien Franke und Schwarz mit ihrem "Nachbarschaftsprojekt", wie es Bernhard Franke schmunzelnd nennt. Der Schmiedemeister hat einen über 100 Jahre alten, in Familienbesitz befindlichen Ackerwagen eigens für den Festumzug zum 1 050-jährigen Ortsjubiläum in mehrwöchiger Arbeit restauriert. Nun steht der Wagen, hoch beladen mit rund 180 Ballen Stroh und gekrönt durch eine Erntekrone der Agrargenossenschaft, bereit, sich in den Umzug einzureihen - gezogen von Sattelpferd Ellisee und Handpferd Herkules, die Ingolf Schwarz gehören.
Buntes Festprogramm
Der Festumzug ist ein Höhepunkt in einer Festwoche mit buntem Programm, mit dem die Menschen in Badeborn zeigen, wie sie hier wohnen, leben, arbeiten und auch feiern können, wie es Frank Damm, der Leiter des zehnköpfigen Festkomitees formuliert. Was dabei durch die Badeborner und mit den Badebornern zuwege gebracht wurde - dem zollt auch Ballenstedts Bürgermeister Michael Knoppik - Badeborn ist ein Ortsteil von Ballenstedt - Anerkennung: "Wir Ballenstedter sind richtig stolz, solch einen Ortsteil zu haben. Was die Badeborner auf die Beine gestellt haben, hat uns überwältigt. Das ist schon einmalig."
15.30 Uhr setzt sich dann der Festzug in Bewegung - mit einem Ausrufer, in dessen Rolle Hartmut Rienäcker geschlüpft ist, an der Spitze. Einen Ausrufer, weiß Peter Witzel, der den Umzug für das Publikum kommentiert, gab es in Badeborn bis weit in die 1950er Jahre, obwohl es da schon Presse und Rundfunk gab. Er verkündete beispielsweise Hochzeiten und Geburtstage. Dem Ausrufer folgt ein bunter Zug, der dörfliches Leben und Traditionen deutlich macht: In Gespannen sind liebevoll und aufwändig geschmückte Acker- und Erntewagen ebenso zu sehen wie prachtvoll restaurierte Hochzeitskutschen. Es gibt einen "Waschweiberwagen", einen Schmiede- und einen Fleischerwagen, einen, auf welchem die Arbeit mit Dreschflegeln gezeigt wird, oder den "Schauster"-Wagen. Natürlich darf auch ein Gänsewagen nicht fehlen. "Badeborn", so Kommentator Peter Witzel, "konnte sich den Luxus leisten, einen eigenen Gänsehirten zu beschäftigen." Gezeigt werden viele Gespanne, alte und moderne Landwirtschaftstechnik, Firmen des Ortes haben sich ebenso in den Festzug eingereiht wie die Vereine. Die Feuerwehren aus Badeborn, Opperode, Radisleben, Ballenstedt und Rieder zeigen nicht nur historische Löschtechnik, sondern haben auch ein Leiterfahrzeug mitgebracht. Reiter haben sich ebenso eingereiht wie eine Schulklasse in historischen Kostümen und Spielmannszüge aus Quedlinburg, Wedderstedt, Ermsleben und Meisdorf. Stück für Stück bewegt sich der farbenprächtige, abwechslungsreiche Zug, aus dem Bonbons oder gar Hufeisen geworfen, Blumen und kleine Schnapsfläschchen verteilt werden, vom Quedlinburger Weg über die Hauptstraße bis zur Allee, durch den Hinterhof, die Große Gasse bis zur Feldstraße und Am Teichberg entlang bis zum Ausgangspunkt. So bekommt, wer strategisch günstig an der Kreuzung Quedlinburger Weg / Hauptstraße steht, den Festzug gleich mehrfach zu sehen.
Mehr als 80 Bilder, davon fast 30 Gespanne, mit über 300 Teilnehmern haben sich hier eingereiht - ein Zug mit mehr als 850 Metern Standfläche. Eine logistische Herausforderung auch für das Festkomitee: "Da so viele Meter am Stück gar nicht vorhanden waren, haben wir auch die Seitenstraßen zum Aufstellen mit genutzt", schildert Doreen Müller, die gemeinsam mit Wolfgang Browarzik und Herbert Gräning für das Konzipieren und Einordnen des Festzuges verantwortlich zeichnete. So wurden beispielsweise aus den einzelnen Bildern Blöcke, darunter Berufe, Vereine oder Landwirtschaft, gebildet und entsprechende Stellflächen zugewiesen. Alles hat geklappt, ist Doreen Müller am Ende des Festzuges "super zufrieden".
Höfe für Besucher geöffnet
"Das war super, sehr schön", findet auch Ines Nebe. Die Ballenstedterin gehört zu den Zuschauern, die, dicht gedrängt an den Straßen stehend, den Umzug verfolgt haben. "Es hat sich gelohnt, hier in der Hitze zu stehen. Man muss staunen, was so ein kleiner Ort auf die Beine stellt, wie alle zusammengehalten und an einem Strang gezogen haben."
Auch nach dem Umzug besteht noch die Gelegenheit, einen Blick in die mehr als 15 Höfe zu werfen, die seit dem Morgen ihre Tore geöffnet hatten. So wie die Festzugteilnehmer auf ihre Präsentationen, haben sich auch die Eigentümer der Höfe auf diesen Tag vorbereitet. Auf ihren liebevoll geschmückten und dekorierten Grundstücken geben sie beispielsweise Einblick in die Geschichte und Entwicklung der Objekte, stellen Arbeit, Technik und Traditionen vor, bewirten ihre Gäste mit Spezialitäten und tragen so ihren Anteil bei zu dem Festmotto, das die Badeborner in ihrer Festwoche eindrucksvoll mit Leben erfüllt haben: "Badeborn - Datt sinn wei", "Badeborn - Das sind wir".