Harz Harz: Ein Dutzend Oldies im Dienst
MEISDORF/MZ. - "Waterloo" trällert Abba. Das Lied, mit dem die schwedische Popgruppe 1974 den Eurovision Song Contest gewann, erklingt bei Tilo Friedrich ganz zeitgerecht: vom Orwo-Magnetband, abgespielt auf einem Tesla-Tonbandgerät, welches aus dem Anfang der 1970er Jahre stammt. "Damit habe ich zu DDR-Zeiten auf dem Sportplatz Musik gemacht", weist der Meisdorfer auf das Gerät, das "sogar zweispurig, ganz raffiniert" ist. Und die Musik auf den ebenfalls noch vorhandenen Original-Orwo-Bändern hat er selbst aufgenommen.
Der MZ-Artikel, doch einmal nachzuschauen, welche DDR-Geräte noch im heimischen Haushalt ihren Dienst tun, "hat mich angeregt, mal zu gucken, was ich noch habe. Ich war selbst überrascht." Bei Tilo Friedrich sind nicht ein, zwei, oder drei, sondern rund ein Dutzend Geräte im Einsatz, zu denen auch noch etliche Kleinwerkzeuge und andere Teile kommen, wie beispielsweise der "Disco-Koffer", eine Pneumant-Werkzeugkiste, in welcher Tilo Friedrich Mikrofon, Kabel, Werkzeug, Batterien aufbewahrt - "alles, was ich so brauche".
"Bis vor vier Jahren habe ich damit noch das Pfingstfußballturnier, den Selketal- und den Punschlauf moderiert", zeigt der Meisdorfer auf einen Verstärker "Vermona regent 600 H", der aus der Mitte der 1970er Jahre stammt, ein Röhrengerät und "noch sehr gut" ist sowie auf ein Mischpult "regie 3 000 Stereo", hergestellt im VEB RFT Funkwerk Köpenick.
Doch Tilo Friedrichs "ganzer Stolz" ist ein anderes Stück: ein Geracord GC 6030 RVS, ein in Gera gebauter Kassetten-Recorder, der über ein Radio spielt. "Der hat fast 30 Jahre auf dem Rücken und spielt seit 30 Jahren." Kombiniert ist der Geracord mit einem 30-Jahre alten Robotron-Radio RS 5001 HiFi - und einer selbst gebauten Lichtorgel aus DDR-Zeiten. "Ich hatte damals einen Disko-Schein", berichtet Tilo Friedrich schmunzelnd und verweist auf die mehr als 80 Orwo-Kassetten mit vielen, vielen Titeln, die in Listen erfasst sind und die der Meisdorfer noch heute gern hört. Mit der alten Technik natürlich.
Und die tut im Hause Friedrich nicht nur bei der Musik ihren Dienst. Für Wärme sorgt beispielsweise eine moderne Solaranlage mit Brennwerttechnik, in welche ein Gussgliederkessel, gefertigt 1982 in den Harzer Werken Blankenburg, eingebunden ist. Und ein Blick in die Werkstatt lässt das Heimwerkerherz höher schlagen: Eine Handkreissäge, gefertigt im VEB Druckguss und Formenbau Berlin, ist hier ebenso zu finden wie eine Handbohrmaschine aus dem VEB Elektrowerkzeuge Sebnitz, natürlich mit vielen Original-Bohrern.
Die Bohrmaschine, erinnert sich Tilo Friedrich, "habe ich mal in der BHG in Aschersleben bestellt und rund ein Jahr darauf gewartet". Sie kommt ebenso noch zum Einsatz wie der Schleifbock aus dem VEB Galvanotechnik Leipzig oder die Lochkreissäge aus dem VEB Mikromat Dresden. Bis heute in Benutzung sind auch Schraubstöcke, Verus-Schraubzwingen, oder Werkzeuge wie Zangen oder Sägen. "Nicht, dass ich ein Nostalgiker bin, aber das funktioniert alles und deshalb schmeißt man so etwas nicht weg." Das älteste Stück in der Werkstatt ist übrigens die Werkbank: Diese war einst die Ladentheke in dem kleinen Geschäft, den Tilo Friedrichs Vater besaß und weist eine kleine Notiz aus dem Jahr 1882 auf.
"Und das ist das Refugium meiner Frau", zeigt Tilo Friedrich lachend auf ein Rühr- und Mixgerät RG 28, das noch immer funktioniert, auf eine Kaffeemühle aus Sonneberg und einen kleinen Party-Grill von AKA Elektrik. "Den haben wir zur silbernen Hochzeit bekommen und nächstes Jahr haben wir goldene", erzählt der Meisdorfer. Der kleine Elektrogrill steht im Sommer im Garten - "da passen genau zwei Steaks drauf".
Das älteste, aus DDR-Zeiten stammende "Küchenutensil" ist übrigens ein Dämpfer. "Den haben wir zur Hochzeit geschenkt bekommen", so Tilo Friedrich.