Verkehrserziehung Haben Kinder im Harz nach dem Lockdown Probleme im Straßenverkehr?
Wir sprachen mit Regionalbereichsbeamten in Harzgerode, Ballenstedt und Quedlinburg. Wie die Verkehrswacht die Lage beurteilt.

Quedlinburg/MZ - Wie biege ich noch mal nach links ab? Zuerst umschauen, Handzeichen, und dann? Wie man sich im Straßenverkehr als Radfahrer und Fußgänger zurechtfindet, lernen die meisten Kinder bei der Verkehrserziehung im Vorschulunterricht im Kindergarten und in der Grundschule. Doch in Zeiten von Corona war alles anders, der Verkehrsunterricht blieb oftmals auf der Strecke.
Normalerweise sind die Regionalbereichsbeamten (RBB) aus dem Harzkreis in Kindergärten zur Verkehrserziehung und in den Grundschulen zur Radfahrprüfung unterwegs. Sie haben sich auf die Fahne geschrieben, Kinder mit Theorie und Praxis für den Straßenverkehr fit zu machen.
Unter anderem lernen Kinder, wie ein Fahrrad straßentauglich ist und wie man damit sicher fährt. Der coronabedingte Ausfall - eine Gefahr für den Straßenverkehr? Im Gegensatz zum ausgefallenen Schwimmunterricht seien die Auswirkungen beim Verkehrssicherheitstraining weniger dramatisch, beruhigt Heiner Sothmann von der Deutschen Verkehrswacht (DVW) in Berlin.

Die Corona-Krise bremse die Verkehrserziehung allerdings aus, daher reagierte die DVW auf die fehlende Radfahrausbildung in der Grundschule. Über ein Online-Portal werden Lerninhalte für zu Hause angeboten und sollen auch die Eltern unterstützt werden.
„Allerdings müssen wir davon ausgehen, dass es Lücken gibt“, so der Sprecher der DVW. Die Probleme durch das fehlende Verkehrssicherheitstraining im Kindergarten würden sich jedoch eher in späteren Jahren, ab der zweiten oder dritten Klasse zeigen, so Sothmann weiter. Und falls diese Probleme auftreten, würden sie meist durch den Verkehrserziehungsunterricht in der Grundschule behoben.
Heiner Sothmann von der DVW sieht Unsicherheiten – wenn überhaupt – beim Fahrradfahren. Die Kinder seien wackliger auf dem Rad unterwegs, weil einfach die Übung fehlt. Sie haben zum Beispiel Probleme mit Handzeichen geben und umschauen.
„Da gibt es bisher ganz unterschiedliche Rückmeldungen aus ganz Deutschland“, so der Verkehrsexperte. Für einige Gebiete gebe es bereits Präventionsprogramme in den Ferien, das Radfahrtraining nachzuholen. „Wir müssen davon ausgehen, dass es Defizite gibt“, so Sothmann weiter. Und das habe Auswirkungen auf die Verkehrssicherheit.
„Wir müssen davon ausgehen, dass es Defizite gibt.“
Heiner Sothmann, Sprecher der Deutschen Verkehrswacht (DVW)
Auch RBB Silvio Bolze aus Harzgerode konnte in seinem Bereich noch nicht beobachten, dass die im vorigen Jahr nicht geschulten Kinder sich unsicher im Straßenverkehr verhalten. Die meisten Kinder würden ohnehin vorrangig von ihren Eltern entweder zu Fuß oder mit dem Pkw zur Schule gebracht werden, so der Polizeihauptmeister.
Die Prävention, sprich die Verkehrs- und Kriminalprävention an den Schulen der Gemeinde Ballenstedt, sei ein großer Bestandteil der RBB-Tätigkeit, sagt Polizeikommissarin Katja Felsberg. Neben der täglichen Schulwegüberwachung, bei der sie in ihrer Tätigkeit als RBB auch verhaltenspräventiv auf Kinder und Eltern einwirkt, stellt die alljährliche „Zuckertütenaktion“ eine lehrreiche Tätigkeit für die Kinder dar.
Diese findet jedes Jahr in den ersten beiden Schulwochen der Abc-Schützen vor den Grundschulen statt und soll die Verkehrsteilnehmer zur Sensibilität anregen. Hier habe es bisher keine Einschränkungen gegeben, fast alle Übungseinheiten konnten stattfinden.
Aufgrund der rückläufigen Inzidenzzahlen haben die Regionalbereichsbeamten im Harzkreis Anfang Juni die Kontakte zu den Kindertagesstätten und Grundschulen wieder intensiviert, sagt Polizeikommissar Sebastian Fabich. Hierbei geht es in erster Linie darum, den diesjährigen Schulanfängern die Verkehrsregeln zu erklären und mit ihnen die einzelnen Schulwege abzugehen, um auf Gefahren hinzuweisen.

Obendrein führen die Regionalbereichsbeamten Radfahrprüfungen bei den Viertklässlern durch, so Fabich. „Wegen der durchaus eng bemessenen Zeit bis zu den Sommerferien kommt hier ein Gros an Präventionsarbeit auf unsere Regionalbereichsbeamten zu“, sagt der Ansprechpartner der Verkehrssicherheitsaktion „Sicher durch den Harz“.
Bei den derzeitigen Erstklässlern seien keinerlei Defizite erkennbar. „Durch die Erzieher wurde hier hervorragende Vorarbeit geleistet“, so Fabich weiter. Das Grundwissen diene den Lehrern und Eltern dazu, die Verhaltensweisen im öffentlichen Straßenverkehr nur noch zu präzisieren.
Das bedeutet: üben, üben, üben. Mit den Kindern viel Fahrrad fahren und zu Fuß gehen, um Verkehrsregeln zu verinnerlichen. Sollten wider Erwarten Probleme bei der Fahrpraxis bei den Erstklässlern festgestellt werden, stehen die Regionalbereichsbeamten im direkten Kontakt mit den Schulen, sagt Fabich.