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Gernröder bauen Schwarzwalduhren

Von Dennis Lotzmann 09.01.2006, 14:28

Gernrode/MZ. -
Die meisten Unternehmer expandieren heutzutage in Billiglohngebiete in den östlichen Nachbarstaaten, Eckhard Graßmann weicht stattdessen gen Westen aus. Was sich auf dem ersten Blick ein wenig sonderbar liest, ist bei genauem Hinsehen der Versuch, einem Rechtsstreit mit womöglich katastrophalen Folgen für die 40 bis 50 Mitarbeiter zählende Kuckucksuhrenfabrik in Gernrode aus dem Weg zu gehen.

Der 61-jährige Geschäftsführer will so auf Nummer sicher gehen, seine Uhren künftig mit dem Zertifikat "Kuckucksuhr aus dem Schwarzwald" versehen zu können. Und das wiederum ist mit Blick auf den Absatzmarkt in Übersee ganz entscheidend. Das Theaterstück bis zu diesem gewiss etwas skurril anmutenden Akt ist ein langes. Nicht nur die Konkurrenten aus dem Schwarzwald spielen darin ein gewichtige Rolle, sondern auch die Geschäftspartner und Kunden auf dem amerikanischen Markt.

"Dorthin nämlich geht rund 80 Prozent unseres gesamten Exportes", überschlägt Graßmann. Und weil die Fabrik zugleich etwa 70 Prozent ihres Gesamtumsatzes mit dem Export erwirtschafte, wird die Bedeutung dieses Markes klar. Den Amerikanern jedoch sei letztlich vollkommen egal, wo in Deutschland die Uhren zusammengeschraubt worden sind: "Dort sind alle Kuckucksuhren Schwarzwälder Uhren", weiß Graßmann und nennt das Zauberwort: "Cuckoo Clocks, Made in Germany". Problematisch sei die Lage aufgrund des gefallenen Dollarkurses geworden. Das habe deutschlandweit für alle Hersteller jener Uhren massive Umsatzeinbußen auf dem amerikanischen Markt mit sich gebracht. Und dies wiederum habe im Schwarzwald ein paar, wie Graßmann sagt, "Heißsporne" auf den Plan gerufen. "Sie wollten sich den Namen ,Schwarzwälder Kuckucksuhr' als Marke schützen lassen."

Graßmann - nach diversen, vor allem kostspieligen Streitfällen rund um das Thema Kuckucksuhr um einige Erfahrungen reicher - wollte diesmal weder die Anwälte bemühen, noch untätig zuschauen und abwarten. So, wie die Schwarzwälder begannen, einen Kriterienkatalog für die "echte Schwarzwälder" zu entwerfen, sinnierte Graßmann über einen Weg, dem drohenden Ungemach zu entgehen. Denn eines sei sicher: "Bricht uns der amerikanische Markt weg, wäre das das Aus für unsere Fabrik.

Der Rest des Stückes ist schnell erzählt: In Triberg im Schwarzwald fertigen deshalb seit Anfang dieses Monats drei bis vier Mitarbeiter aus Gernrode in der Endmontage "hochwertige und vor allem Original Schwarzwälder Uhren" für den Export. Zugleich sei der Versuch der Schwarzwälder - den Markennamen schützen zu lassen - zwischenzeitlich in der Sackgasse gelandet, weiß der 61-jährige Geschäftsmann: Der beauftragte Rechtsanwalt habe, nachdem immer mehr zunächst aufgestellte Kriterien wegen der auch dort unvermeidlichen Teilefertigung im Ausland gestrichen werden mussten, letztlich auch keine Chancen für den Namensschutz mehr gesehen und seine Schlussrechnung präsentiert: 15 000 Euro.

Dass seine Beschäftigten die neue Konstellation nicht unbedingt bejubeln, ist Graßmann klar. Schließlich müssen zwei bis drei Mitarbeiter seither ihren angestammten Arbeitsplatz von Montag bis Freitag mit dem in Triberg tauschen. Für Graßmann jedoch ein vertretbarer Aufwand, weil ohnehin zweimal pro Woche ein Transporter zwischen dem Schwarzwald und Gernrode unterwegs sei, um Zulieferteile aus dem Süddeutschen zu holen. Wenn die Original-Uhrwerke aus dem Schwarzwald geholt werden, die übrigens in alle Kuckucksuhren Made in Gernrode montiert würden, seien die Gernröder Mitarbeiter einfach mit an Bord.

So ist die Firmenexpansion am Ende ein Schachzug. Hat der Betrieb damit doch nicht nur das latent schwelende Problem mit dem Namen umschifft. Mehr noch: Fortan zieren auch seine weltweit angebotenen Chronometer das Markenzeichen der Schwarzwälder Uhren. Und Graßmann ist Geschäftsmann genug, um die Amerikaner mit speziell für sie entwickelten Uhren zu ködern: Die neue Baureihe, bei denen die Farmer große Augen machen dürften, zieren Motive wie John-Deere-Maschinen oder Blümchen. Kommentar