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Fahrradparcours für junge Flieger

Von Detlef Anders 06.12.2006, 18:47

Thale/MZ. - Auf den zweiten Blick ist zu sehen, dass hinter dem Bauwagen aus dem locker verteilten Erdaushub mit Baggern und Schaufeln ein Fahrradparcours geformt wurde, der seinesgleichen in der Region sucht. "Das ist ein Dirt-Park", erklärt Martin Danielzik, der Vorsitzende des neu gegründeten Sportvereins Bode-Bike Thale.

Seit einigen Monaten bauen Kinder, Jugendliche und erwachsene Fahrradenthusiasten aus den Erdhügeln so genannte "Lines", auf denen sie der neuen Funsportart Dirtjump frönen können. Der erste Teil wurde schon in Besitz genommen. Mit kleinen BMX-Rädern oder speziellen Dirt-Bikes mit tiefen Sätteln fahren sie nun einen vier Meter hohen Anlaufhügel hinunter und versuchen, über eine Art Schanze auf einen Landehang zu springen. Und das sieben Mal hintereinander.

"Das ist total geil", urteilt Max-Leo Bilda. Bislang fuhr der 18-Jährige an den Fuchslöchern im Wald unweit des Wohngebietes "Auf den Höhen". Doch da hatten er und seine Freunde nur einen einzigen Hügel, über den sie Springen konnten. Nun haben sie gleich eine ganze Kette von Sprungschanzen und Landehängen, die als Tables und Doubles bezeichnet werden, weil sie einem Tisch ähneln beziehungsweise ohne Mittelstück auskommen. Gut 20 Kinder und Jugendliche treffen sich Tag für Tag mit ihren Rädern, um hier zu springen, oder nur zu erzählen. Auch mehrere Mädchen sind darunter. "Ich kenne die meisten. Das ist ganz lustig hier", meint Luisa Fichtner (12), die aber noch nicht selbst auf der Strecke gefahren ist. Isabell Gaebel macht es hier Spaß. Die Siebtklässlerin ist aber bisher nur über die Strecke gerollt, ohne zu springen.

"In den Sommerferien war ich jeden Tag hier", berichtet Max Schiebek, der früher auch an den Fuchslöchern fuhr. "Zuerst hat man Hemmungen, da runter zu fahren. Es kommt einem ziemlich hoch vor, deshalb lässt man sich rollen - die Hand ganz verkrampft an der Bremse", beschreibt Selina Neubert (13) ihre ersten Erfahrungen auf der Strecke. "Dann probiert man richtig zu hüpfen. Da freut man sich über jeden Zentimeter", schildert die Thalenser Gymnasiastin den Kick, der sie immer wieder auf den Anlaufhügel treibt. Sogar ihre jüngeren Geschwister hat sie angesteckt und ihre Mutter ist schon im Vorstand des neuen Sportvereins.

Die Eltern mancher Radfahrer sorgen nun dafür, dass die Jungen Wilden endlich ein Zuhause gefunden haben und nicht mehr irgendwo im Wald unterwegs sind. Der Verein hat die Fläche von den Seilbahnen Thale gepachtet und diese versprechen sich davon einen zusätzlichen Synergieeffekt. Schließlich haben sie bereits eine Downhill-Strecke zwischen der Bergstation Roßtrappe und dem Bodetal geschaffen, auf dem geübte Biker fahren können.

"Man gewinnt auf einem solchen Parcours extrem viel Sicherheit für Sprünge, und die benötigt man auf der Strecke", hat der 43-jährige Mountainbiker erfahren, der sich beim Downhill-Rennen im September aber doch den Arm brach. Mark Steppuhn hatte sich damals die Schulter ausgekugelt, meint aber, "das gehört dazu." Der 17-Jährige ist vom Skateboard umgestiegen, weil beim Dirt-Bike das Fluggefühl besser ist. Auch Tassilo Valtink versucht sich als langjähriger Moto-Crosser auf dem Dirt-Park. "Das Sprunggefühl ist anders als auf dem Motorrad. Daran muss man sich erst mal gewöhnen", meint der Crosser, der das Radfahren als Ausgleich ansieht.

Martin Danielzik möchte im nächsten Jahr mit dem zweiten Bauabschnitt des Dirt-Parks beginnen und Strecken für die erfahrenen Biker anlegen. Mit Sponsoren sollen die Sprünge sogar noch vermarktet werden. Über Danielziks Arbeitgeber, das Bauspielhaus Thale, werden sogar Einführungs- und Fahrtechnikkurse für Mountainbiker angeboten. "Die Leute sollen ihr Fahrrad besser beherrschen und nicht nur verrückt hüpfen."

Doch der SV Bode-Bike will seine Aktivitäten nicht nur auf das Dirtbiken beschränken. Im Bahnhof Thale wurde ein Raum angemietet, in dem in Zusammenarbeit mit dem Fahrradhaus Wagner eine "Fahrrad-Selbstmachwerkstatt" entsteht.

Wer sich beim Downhill oder Dirtbiking einen Platten gefahren hat, soll ihn dort reparieren können. Eine Internetseite ist geplant, mit deren Hilfe Radfahrer Touren durch den Harz zusammenstellen können. Damit will der Verein den Harz sowohl für Touren-, als auch Mountainbiker erschließen. Um die Öffnungszeiten des Dirtparks abzusichern, möchte der Verein auch Hilfe durch einen Ein-Euro-Job.

Nicht nur Vereinsmitglieder sollen hier fahren können, auch Gäste sind willkommen. Zwei Dirt-Bikes und zwei Downhill-Räder können ausgeliehen werden. Nutzer müssen einen kleinen Versicherungsbetrag entrichten. "Wir hoffen, dass wir Thale damit weiter nach vorn bringen." Immerhin kamen die Gäste bereits aus Hannover, Hildesheim, Magdeburg, Halberstadt, Braunschweig, Salzwedel oder Göttingen. "Mehr oder weniger ist es die Strecke der Jugend. Wir Erwachsenen springen zwar auch, aber nicht auf dem Niveau", resümiert Martin Danielzik. Mittlerweile erkennen die Kinder und Jugendlichen das Gelände als ihres an und sorgen selbst dafür, dass alle einen Helm tragen. Zu Sascha Wicke, dem Jugendwart des Vereins, blicken sie auf. "Es ist nicht nur ein Trainingsparcours. Es geht auch darum, dass sie sich sozialisieren, weg sind von der Straße, ihren Sport ausüben können und untereinander klar kommen."