Außengastronomie öffnet in Quedlinburg „Ein Stück Normalität kehrt zurück“
Modellprojekt: Seit Freitag kann die Außengastronomie im Landkreis geöffnet werden. Gäste müssen negativen Corona-Test nachweisen.
Quedlinburg - Die Aussicht auf ein Schnitzel und ein frisches Bier ist zu verlockend für Clemens Vasters. Ein Stück Normalität - danach sehnen sich schließlich viele Menschen im zweiten Corona-Jahr. Vom 450 Kilometer entfernten Viersen an der holländischen Grenze steuerte der Nordrhein-Westfale gezielt das Testzentrum in Quedlinburg an, nur um danach in der historischen Innenstadt Mittag zu essen.
Die 900-Kilometer-Tagestour (hin und zurück) nimmt der 51-Jährige gern in Kauf. Seit Beginn der Corona-Pandemie bereist er Städte entlang der deutschen Fachwerkstraße. Er fotografiert und genießt die Ruhe in den Orten.
Vom Modellprojekt zur Öffnung der Außengastronomie im Harz hat Vasters erst vor ein paar Tagen erfahren und wollte unbedingt nach Quedlinburg. Allerdings sieht er noch Ausbaupotenzial. So sei der Weg zum Testzentrum auf dem Gelände der Stadtwerke nicht ganz so einfach zu finden. Wenn man aber einmal da sei, gehe alles ganz schnell, sagt er. Er habe sich die „PassGo“-App auf sein Handy geladen und sei danach direkt in Richtung Innenstadt gegangen.
Seit Freitag kann zunächst im Landkreis Harz die Außengastronomie geöffnet werden. Gäste müssen einen negativen Corona-Test nachweisen. Entweder mit der „PassGo“-App auf dem Handy oder einem Zettel vom Testzentrum. Die neun Modellprojekte in Ballenstedt, Blankenburg, Falkenstein, Harzgerode, Ilsenburg, Oberharz, Quedlinburg, Thale und Wernigerode sind bis zum 30. April befristet.
„Wir können zeigen, dass wir es können“, sagt Café-Betreiberin Yvonne Gelbke
Viele Gastronomen bereiteten die Öffnung vor. So wie Yvonne Gelbke, Inhaberin von Café Gelbke am Markt in Quedlinburg. Sie erarbeitete ein Hygienekonzept, beschäftigte sich mit der „PassGo“-App, stellte Tische und Stühle raus und bereitete Fläschchen mit Desinfektionsmittel vor.
„Ein kleines Stück Normalität kehrt heute als Modellprojekt auf den Quedlinburger Marktplatz zurück“, sagt Yvonne Gelbke. „Wir können zeigen, dass wir es können“, so die Unternehmerin. Es sei zwar ein kleiner Anfang, „aber wenn wir uns beweisen, werden andere nachziehen“.
Sie fühle sich ein wenig wie ein Versuchskaninchen, stehe in ständigem Kontakt zur Stadtverwaltung sowie dem Citymanagement, um Probleme anzugehen. Wie zum Beispiel der Wunsch nach einem Testzentrum in der Quedlinburger Innenstadt mit angepassten Öffnungszeiten. Es bringe nichts, wenn das Zentrum freitags um 17 Uhr schließe und erst am Montag wieder öffne.
Hier hat die Stadt bereits nachgebessert. Zusätzlich zu den Öffnungszeiten von Montag bis Donnerstag von 15 bis 18 Uhr könne man sich jetzt auch freitags und sonnabends von 13 bis 18 Uhr auf dem Gelände der Stadtwerke testen lassen.
Trotz des kalten Wetters öffnet Andreas Kirschner den Außenbereich am Wordgarten
Für Andreas Kirschner ist die Öffnung der Außengastronomie Anfang April vergleichbar mit einem Weihnachtsbaumverkauf im Juni. Für den Betreiber des Word-Haus-Restaurants spielt das Wetter eine große Rolle. Die Erfahrung habe gezeigt, dass sich seine Gäste bei den derzeitigen Temperaturen eher nicht in den Außenbereich des Restaurants im Wordgarten setzen.
Aber auch er hat sich dazu entschieden, ab Freitag, 16. April, zu öffnen und zusätzlich einen To-Go-Stand einzurichten. Auch für Kirschner ist das abgelegene Testzentrum ein Hindernis. „Ein spontaner Besuch nach einem Einkaufsbummel ist nicht möglich. Man muss erst wieder raus aus der Innenstadt“, so der Restaurant-Inhaber.
Auch die Stadt Thale bereitet ihre Gäste auf den Besuch der Außengastronomie vor und nutzt dabei die „PassGo“-App. Der amtierende Bürgermeister Frank Hirschelmann (parteilos) mahnt die Gastronomen, ihre Gäste zu überprüfen. Auch Mitarbeiter vom Ordnungsamt kontrollierten verstärkt. „Das Projekt ist mir sehr wichtig“, so der Bürgermeister. Es dürfe auf keinen Fall in die Hose gehen.
Der Kreissprecher des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes Sachsen-Anhalt (Dehoga), René Maksimcev, reagierte erleichtert auf die Öffnungen im Harz: „Endlich können wir aktiv werden und müssen nicht mehr warten. Das ist ein erster Schritt in die richtige Richtung. Wir sind auf einem guten Weg wieder zurück ins normale Leben“, sagt er.
„Wir brauchen eine ganz andere Perspektive“, sagt HTV-Chefin Carola Schmidt
Der richtig große Wurf komme seiner Meinung erst, wenn die Gastronomie innen wieder Gäste bedienen dürfe und die Hotels öffnen. Viele touristische Ziele im Harz wie Museen, die Harzer Schmalspurbahnen und weitere seien abhängig vom Tourismus.
Das sieht auch Carola Schmidt, Geschäftsführerin des Harzer Tourismusverbandes (HTV), so: „Die Orte und Gastronomen verfügen über die nötigen Abstands- und Hygienekonzepte, die bereits im Vorjahr professionell erarbeitet worden sind“, so Schmidt. Es sei gut, dass man durch das Modellprojekt herausfinde, was geht.
„Wir brauchen eine ganz andere Perspektive für den Tourismus und die nicht erst im August“, so die HTV-Chefin. Insgesamt liege die Branche seit sechs Monaten am Boden. Das Modellprojekt sei wichtig, allerdings hatte sie sich erhofft, im April bereits an einem ganz anderen Punkt zu sein.
Landrat Thomas Balcerowski (CDU) zeigte sich mit dem Auftakt zufrieden. „Der Anfang ist gemacht“, sagte er beim Start des Modellprojekts. Gemeinsam mit Wirtschaftsminister Armin Willingmann (SPD) und Wernigerodes Oberbürgermeister Peter Gaffert (parteilos) machte er sich in einem Wernigeröder Café am Marktplatz ein Bild vor Ort. (mz/um)