Dreifach-Jubiläum in Neinstedt Dreifach-Jubiläum in Neinstedt: Freiluft-Predigt in Kisuaheli

Neinstedt - Elikana Kitahenga spricht perfekt Deutsch. Der Abteilungsleiter für Diakonie in der Südzentraldiözese von Tansania, wo rund 60.000 der 130.000 Einwohner der Region Makete evangelisch-lutherisch sind, lacht. „Ich bin zwischen 1985 und 1989 hier in Neinstedt zum Diakon und Heilerziehungspfleger ausgebildet worden.“ So gehört er als Mitglied der Diakonischen Gemeinschaft der Stiftung zu denen, die den Grundstein für die Partnerschaft legten, die zum Diakonie-Zentrum Tandala in Tansania bereits 30 Jahre lang währt.
Das ist eines der drei Jubiläen, die gestern beim Jahresfest der Evangelische Stiftung Neinstedt begangen wurden. Sie besteht zudem seit 165 Jahren, und der Begründer Philipp von Nathusius wäre am 5. November 200 Jahre alt geworden, wie der theologische Vorstand der Stiftung, Hans Jaekel, erläutert.
Der Ursprung der Evangelischen Stiftung Neinstedt geht zurück auf die Gründung des Knabenrettungs- und Brüderhauses auf dem Lindenhof in Neinstedt durch das Ehepaar Marie und Philipp Nathusius am 15. Oktober 1850.
Menschlichkeit, Solidarität und Hilfe zur Selbsthilfe - die „Evangelische Stiftung Neinstedt„ versteht sich als diakonisches Unternehmen.
Derzeit ist es für die Evangelische Stiftung Neinstedt zentral, den Begriff der „Anstalt“ aus dem Namen zu entfernen. Gerade im Kontext mit dem Bemühen um mehr Transparenz und Teilhabe bildete er inzwischen zunehmend einen Anachronismus.
Als großer Dienstgeber beschäftigt die Stiftung 900 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Heute nehmen rund 200 Menschen deren Angebote wahr.
Elikana Kitahenga, der am Sonntag auch den Posaunenchor Parapanda Tandala leitete, der mit dem Musikern der Stiftung Neinstedt den Gottesdienst vor der Lindenhofkapelle musikalisch begleitete, besucht mit seinen Begleitern aus Tansania für vier Wochen Deutschland. „Uns scheint es wichtig, dass durch persönliche Begegnungen die Beziehungen nach Deutschland vertieft werden. Das geschieht nicht im Selbstlauf. Die junge Generation muss fortführen, was wir zu ganz anderen Zeiten hier begonnen haben.“
Unterdessen seien sechs Diakone, die ihre Ausbildung in Neinstedt genossen habe, in Tansania eingesegnet. Er selbst hat damals seine Bläserausbildung in Neinstedt absolviert. Da freute er sich mit seinen Chormitgliedern darüber, dass die Neinstedter Mitmusikanten ihnen aufgearbeitete Blasinstrumente mit auf den Weg in die Kirchengemeinde Tandala nach Afrika geben.
Bewohner und Gäste der Evangelischen Stiftung erlebten am Sonntag Vormittag einen besonderen Open-air-Festgottesdienst. Bischof Levis Luhuvilo Sanga aus Makete in Tansania predigte auf dem Festplatz an der Lindenhofkapelle auf Kisuaheli. Musikalisch begleitet wurde er von rund 40 Musikern aus der Stiftung und von Parapanda Tandala unter Leitung von Kantor Hans-Martin Fuhrmann.
Das 165. Jahresfest der Evangelischen Stiftung Neinstedt stand unter dem Motto „Wie Gott mir, so ich Dir.“ Kernthema sei es, den Menschen anzunehmen - mit all seinen Macken, die er hat, so Stiftungsvorstand Hans Jaekel. So wohnt dem Lied „Ein Fest für Leib und Seele, für Sinne und Verstand“ ein tiefer Sinn inne. Dass sich der größte Sozialdienstleister des Landkreises Harz in einem grundlegenden Wandel hin zu mehr Transparenz und Teilhabe befinde, spürte wohl jeder Besucher. Und wer genauer hinschaute, sah auch, das Spektrum der Gäste ist breiter geworden. Da saß der Bürgermeister von Thale ebenso in den Reihen wie die Linke-Landtagsabgeordnete, die Quedlinburger Polizeichefin wandelte ebenso über das Jahresfest-Gelände wie die Vertreterin der Harzsparkasse, die für das Jahresfest keinen Beratungsstand aufbaute, sondern den Kreissportbund mit seinem Sportmobil nebst Riesenrutsche ranholte. Ein Rockfestival „Neinstedt Inklusiv“ und ein von Ex-Silberhütte-Chef Falk Schilling finanziertes Feuerwerk, der Kindergarten Schwalbennest mit Fruchtdrinks und Doreen Krüger mit dem Stand des Integrativen Kunstvereins „Liwet“, wohl noch nie wurde so vielen Festgästen so ein buntes Programm geboten.
Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) nahm sich viel Zeit für Gespräche mit Bewohnern, Patienten und Mitarbeitern der Stiftung Neinstedt. „So mit Trompeten und Posaunen, da wirkt ein Gottesdienst viel schwungvoller als bei uns“, befand der ökumenisch denkende Katholik. Er erinnerte im Beisein der Nachfahren des Gründerpaares von Nathusius daran, dass „ohne sie das Werk nicht in Gange gekommen wäre“. Es sei weitergegangen „trotz Kriegen, Krisen und Katastrophen“. Die Stiftung habe durchgehalten und immer wieder Gutes getan. Heute habe sie eine Ausstrahlung, die weit über die Grenzen Sachsen-Anhalts hinausgehe.
In den vergangenen Jahren seien sieben Millionen Euro Steuergelder in den Ausbau der Einrichtung im Thalenser Ortsteil Neinstedt geflossen, betonte der Ministerpräsident. Das sei gut und verantwortungsvoll angelegtes Geld, fügte er bei seinem Rundgang über das Stiftungsgelände an. (mz)