Die späte Reue des Mannes mit Hut
Ballenstedt/MZ/bü. - Diese Meriten hat er sich nicht nur im Sport, sondern auch bei den Geflügelzüchtern erworben, eine außergewöhnliche Kombination.
Der 1922 in Harzgerode geborene Wölfer zog 1927 mit seinen Eltern in die Fichtenstraße. Diese gehörte zwar zu Ballenstedt, lag allerdings mehr in Opperode, was seine Liebe zu diesem Ort bis heute begründete. Obwohl es dort schon den Sportverein Friesen gab und die Fußballer eine Herrenmannschaft hatten, war für ihn zunächst kein Platz: Er war dafür noch zu jung, so wurde mit Kumpels halt auf der Straße gebolzt. Später fand er auch Gefallen am Boxen, war in dieser Sportart in Halberstadt aktiv und scheint davon bis heute zu profitieren. Immer wieder musste er sich im Leben durchboxen, auch gegen bestehende Meinungen.
1940 wurde er in die Wehrmacht eingezogen, konnte zwar seine Ausbildung als Klempnermeister abschließen, musste aber in den Feldzug nach Russland, mit Erfahrungen, über die er heute nicht mehr reden möchte. 1945 endlich zu Hause fand er auf der Suche nach einer Aufgabe in Walter Kühne einen Partner, mit dem er dem örtlichen Sportverein wieder Leben einhauchte, mit Kühne als Vorsitzenden und ihm bis 1953 als Stellvertreter. Parallel dazu spielte er nun selbst bei den Herren Fußball, zunächst mit mäßigem Erfolg. Doch 1947 wurden die Opperöder Fußballer Kreismeister. Der Verein wuchs unter dem Duo Kühne / Wölfer, etwa 300 Mitglieder trafen sich zu Fußball, Turnen und Damenhandball.
Im Vorfeld des 17. Juni 1953 drohte ihm die Verhaftung, doch bevor es dazu kam, war er nicht mehr da. Der Tipp eines Fußballkumpels, gleichzeitig der Sohn des örtlichen Polizeichefs, rettete ihn. Hals über Kopf verließ er seine Heimat gen Westfalen, nach Rheda. Erst nach dem Tod des Vaters, der während seiner Abwesenheit die eigene Firma in Ballenstedt weiter geführt hatte, kehrte er 1965 wieder in den Harz zurück. Doch statt zu den Sportlern zog es ihn zu den Geflügelzüchtern, einem Hobby, das zwar mit ein paar Legehennen in Rheda seinen Anfang genommen hatte, allerdings Nebensache war.
Um 1953, nach dem Start im Westen mit Haushaltswarengeschäft und Klempnerei sowie Propangaslager, schneller Kontakt zu den Einheimischen zu finden, ging er zu den Fußballern. Als Spieler, Schülertrainer und Jugendobmann bei Schwarz-Gelb Rheda erwarb er sich wegen seiner uneigennützigen und ehrliche Art hohes Ansehen und wurde sogar Kreisjugendobmann. Seine Lizenz erwarb er übrigens an der Sportschule Kaiserau, unterrichtet auch von Erfolgscoach Detmar Kramer.
Seine Ansichten, Fehler zuerst bei sich statt bei anderen zu suchen und nicht nein sagen zu können, aber auch der Wunsch, Verantwortung zu übernehmen, führten ihn immer wieder schnell zu Aufgaben und Funktionen. 1966 wurde er Mitglied im Geflügelzüchterverein, anfangs als Züchter, später auch in der Leitung. Zehn Jahre war er Vorsitzender, bis eine neue Herausforderung anstand - nun wieder im Sport. "Viel zu spät", wie er jetzt sagt. Der Ehrenvorsitz bei den Züchtern blieb als Dank. Seine Zuchthühner gewannen viele Medaillen, sogar eine Goldene in Hannover.
Der Sportverein Friesen 06, im Jahre 2000 ein Restgebilde von etwa 15 Gymnastikdamen, wollte sich auch im Fußball und später mit Boxen etablieren und suchte deshalb einen neuen Vorsitzenden. So gefragt konnte er nicht nein sagen. In diesem Jahr wurde der 100. Geburtstag der Friesen gefeiert, wegen der vermeintlich ersten Erwähnung 1906. Aber er wäre nicht Hermann Wölfer, der es genau wissen muss. So forschte er selbst gewissenhaft weiter und entdeckte inzwischen in alten Unterlagen in Dessau, wohin die Akten von Ballenstedt und Opperode ins Archiv wanderten, dass es sogar schon für 1893 eine Eintragung gibt.
Zwei Dinge wurmen allerdings den genauen und verantwortungsbewussten Funktionär besonders: Unzuverlässigkeit und Bürokratie. Gerade musste er wieder Mitglieder zu Beitragszahlungen ermahnen, doch dem nicht genug. "Zwar wurde mir zum Jubiläum mit großem Trara ein symbolischer Scheck des Fußballbundes überreicht, allerdings habe ich bis heute vom DFB keinen einzigen echten Cent gesehen. Habe ich vielleicht wieder ein Formular vergessen?", ist sein Ärger über den ständig steigendem Papierkram deutlich zu spüren.
Der Mann mit Hut, sein Markenzeichen schon seit Jugendtagen, möchte die Verantwortung natürlich endlich an Jüngere abgeben. Ein erster Versuch ging allerdings schief, als sein Nachfolger vor drei Jahren kläglich scheiterte. Wieder sprang er in die Bresche, um zu retten, was ging. Nun steht mit Steffen Reuß ein neuer Kandidat in den Startlöchern.
Mit 85 muss Schluss sein, ist Wölfers persönliche Vorgabe, "immerhin möchte ich noch etwas vom Leben haben." Es wird so kommen, denn "was ich verspreche, halte ich auch" war sein Motto im ganzen Leben. Eines aber ist, auch wenn er nicht mehr an der Spitze des Vereins steht, klar: "Wenn ich nichts zu tun bekomme, gehe ich kaputt", sagt er und hofft , wenigstens kleine Aufgaben übertragen zu bekommen.