Nordharzer Städtebundtheater Die Inszenierung „Familie Braun“ hat in Quedlinburg den Theaterpreis bekommen
Was die Hauptdarsteller über Produktion und Protagonisten sagen.

Quedlinburg/MZ - „Als ich das Stück gelesen habe, war ich nicht sicher, ob es funktioniert, denn ich hatte die Serie gesehen“, sagt Eric Eisenach über die Theaterfassung von „Familie Braun“. Der Schauspieler verkörpert darin den Neonazi Thomas, der mit seinem besten Freund Kai, gespielt von Jonte Volkmann, in einer WG lebt, sich plötzlich als Vater eines dunkelhäutigen Kindes wiederfindet und beginnt, alles, was gesetzt schien, zu hinterfragen.
Das Stück geht schon in die vierte Spielzeit
Dass das Stück am Nordharzer Städtebundtheater funktioniert, zeigt zum einen die Auszeichnung der Produktion mit dem Theaterpreis der beiden Fördervereine Halberstadt und Quedlinburg am vergangenen Wochenende. Und zum anderen, weil es inzwischen in die vierte Spielzeit geht. 2019 brachte das Haus die Theaterfassung der Mini-Fernsehserie von Manuel Meimberg auf die Bühne. Zunächst als sogenanntes Try-Out, dann in der Uraufführung.
Eisenach freut sich über den Theaterpreis; es sei selten, dass eine Theaterproduktion einen so lange begleite und noch mehr zusammenfüge. Und es sei „ein Zeichen, dass ein Stück mit diesem Thema ausgezeichnet wurde“. Dass die Auseinandersetzung damit notwendig sei, stehe außer Frage, setzt Jonte Volkmann hinzu. „Aber mit Humor und nicht mit dem erhobenen Zeigefinger“, sagt Eisenach. „Theater kann politisch relevant sein - und trotzdem lustig“, so Volkmann. „Es war nie ein Jugendstück, sondern ein Stück für alle Altersgruppen. Seine Stärke ist, dass es geschrieben ist wie eine Netflix-Serie, dadurch holt es Jugendliche besser ab.“
Inszenierung unfassbar gut gebaut
Die Schauspieler machen ihrem Regisseur Sebastian Wirnitzer ein großes Kompliment: Er habe die Inszenierung „unfassbar gut gebaut“ - und man verliere mit ihm nie den Spaß bei den Proben. Die Arbeit funktioniere, ohne dass der Regisseur auf die Bühne komme und vorspiele, wie agiert werden soll. Es ginge „ohne Zeigen und Nachmachen“. Es sei wichtiger, darüber zu sprechen, welchen Gedanken die jeweilige Figur in einem bestimmten Augenblick hat, sagt Wirnitzer. Wenn der Schauspieler diesen Gedanken aufgreife, habe er die richtige Emotion im Schlepptau. „Wenn man ein Bild findet, das in ihm zündet, dann ist das viel mehr seins“, erklärt er und beschreibt seine Regiearbeit so: „Gemeinsam Bilder finden und konzentriertes Rumblödeln“.
Dass „Familie Braun“ als beste Inszenierung gekürt wurde, freut ihn daher sehr: „Das heißt, dass wir eine tolle Arbeit gemacht haben“, so der Regisseur, der in diesem Sommer am Theater Eisleben ein ebenso relevantes Thema auf die Bühne gebracht hat: In „Extrawurst“ berät die Mitgliederversammlung eines Tennisclubs darüber, ob nicht nur ein, sondern zwei neue Grills für die Vereinsfeiern angeschafft werden sollen - weil die Grillwürstchen für das einzige türkische Mitglied des Clubs als gläubigem Muslim nicht gemeinsam mit Schweinefleisch auf einen Rost gelegt werden dürften. Auch da stellt sich die Frage nach der Toleranz des Einzelnen und der Gesellschaft.
„Ich kann in der Rolle viel spontaner und ‚gemütlicher‘ sein“
Die Arbeit an „Familie Braun“ hat die Schauspieler geprägt. Von der vorläufig letzten Aufführung bis zur Wiederaufnahme sei mehr als ein Jahr vergangen, doch „es war alles noch da“, sagt Eisenach. „Das ist enorm.“ Seit der Premiere habe sich auch „einiges entwickelt“, so Volkmann. „Wir könnten auch was anderes an Aktionen machen - es funktioniert einfach“, beschreibt Eisenach die lange Arbeit mit der Inszenierung, die ihm - über mehrere Spielzeiten verteilt - in Fleisch und Blut übergegangen sei: „Ich kann in der Rolle viel spontaner und ‚gemütlicher‘ sein. Ich fühle mich in dem Bühnenbild fast wie zu Hause.“
Auch Volkmann macht die Arbeit mit diesem Stück „unfassbar Spaß“: „Ich könnte vom Gedankengut des Kai nicht weiter entfernt sein, aber gerade das ist ja auch der Reiz am Theater“, sagt er. Nicht ohne Grund würden viele lieber die Bösewichte spielen. Das Spannende an der Figur sei, deren sympathische Seiten zu finden, denn die gebe es durchaus: „Kai würde alles für seinen besten Kumpel tun, da passt kein Blatt zwischen die beiden“, sagt er. Und obwohl Kai nicht besonders intelligent sei, habe er trotzdem Humor. Es gebe Momente, in denen er die Figur des Kai einfach verstehen kann. „Im Grunde ist er eine arme Wurst“, so Volkmann.