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Kritik von Lehrlingen in Harzgerode „Der Lernstoff passt nicht mehr zum Berufsbild“

Welche Probleme Auszubildende im Gespräch mit Bildungsminister Marco Tullner geäußert haben.

21.04.2021, 07:56
Trimet-Ausbilder Frank Wenzel (Mitte) führt Sachsen-Anhalts Bildungsminister Marco Tullner und die Landtagsabgeordnete Angela Gorr (beide CDU) durch die  Lehrwerkstatt.  Dabei kamen sie auch mit den Auszubildenden ins Gespräch.
Trimet-Ausbilder Frank Wenzel (Mitte) führt Sachsen-Anhalts Bildungsminister Marco Tullner und die Landtagsabgeordnete Angela Gorr (beide CDU) durch die Lehrwerkstatt. Dabei kamen sie auch mit den Auszubildenden ins Gespräch. Foto: Susanne Thon

Harzgerode - Sie sprechen offen über ihre Zeit an der Sekundarschule, an der Gemeinschaftsschule und am Gymnasium, die sie hinter sich gebracht haben, über die Schülerbeförderung, die Qualität des Unterrichts, seine Praxistauglichkeit und darüber, welchen Stellenwert die Berufsorientierung eingenommen hat.

Auch auf den Berufsschulunterricht, der jetzt Teil ihres Alltags ist, gehen die Trimet-Auszubildenden ein, auf Herausforderungen und Probleme, die der Distanzunterricht mit sich gebracht hat. Unbeschönigt bringen die jungen Männer zum Ausdruck, wo es hapert und wo aus ihrer Sicht nachjustiert werden müsste. Kurzum: Sie nutzen den Ministerbesuch, um die Themen anzusprechen, die sie umtreiben.

An diesem Montag ist Sachsen-Anhalts Bildungsminister Marco Tullner (CDU) bei ihnen in der Lehrwerkstatt zu Besuch. Nach einer Führung durch Selbige kommt es zum Austausch zwischen den Auszubildenden, ihren Ausbildern, der Werkleitung und Tullner. Mit dabei sind auch die Landtagsabgeordnete Angela Gorr und Harzgerodes Bürgermeister Marcus Weise (beide CDU) sowie Christiane Hempel, die Schulleiterin der Harzgeröder Gemeinschaftsschule, und ihre Kollegin Dagmar Rüdiger, weil Schule und Betrieb in engem Kontakt stehen und den auch weiter intensivieren wollen.

Minister, Abgeordnete und Bürgermeister sprachen mit Lehrlingen und Ausbildern

Um die 50 Auszubildende hat das Unternehmen; das Gros von ihnen lernt einen der angebotenen gewerblich-technische Ausbildungsberufe, die anderen sind im kaufmännischen Bereich tätig. Der Ausbildung kommt bei der Bohai Trimet Automotive Holding GmbH eine große Rolle zu.

Es sei wichtig, die jungen Leute früh ans Unternehmen zu binden – sei es durch Praktika, Bachelor- oder Masterarbeiten –, sie auszubilden und zu halten, sagt Werkleiter Mathias Meinen. „Eine Maschine kann jeder kaufen. Es nutzt aber nichts, wenn man keinen hat, der sie bedienen kann und mit Herzblut dahintersteht.“ Doch genau die zu finden, wird immer schwieriger.

Das geht schon bei den potenziellen Auszubildenden los. So verlief die Suche nach einem Mechatroniker-Azubi im vergangenen Jahr ins Leere. Bewerber gab es zwar, aber die brachten schlicht die dafür erforderlichen Voraussetzungen - Abitur oder einen sehr guten Realschulabschluss - nicht mit.

Ausbilder Frank Wenzel sagt, der Beruf des Mechatronikers sei der schwerste unter den gewerblich-technischen, alles zu beherrschen, in Theorie und Praxis, eine Herausforderung; da müsse man schon die entsprechenden Grundlagenkenntnisse mitbringen. In Mathematik und Physik ließen die aber oft zu wünschen übrig.

Seine Kritik formuliert er geradeheraus: „Die Ansprüche im Beruf werden deutlich höher, aber die Schulbildung hält nicht mit Schritt.“ Den Auszubildenden fehlt rückblickend das Fachpraktische. Nur einer sagt, er habe Technikunterricht gehabt; es sei gebaut und programmiert worden; und Noten habe es dafür gegeben.

„Die Ansprüche im Beruf werden deutlich höher, aber die Schulbildung hält nicht mit Schritt.“

Frank Wenzel, Ausbilder

„Es war kein normaler Unterricht, aber das Fach, das mich am meisten geprägt hat.“ Umso bedauerlicher finde er es, dass es später - aus Lehrermangel - abgeschafft worden sei. Doch auch in den Berufsschulen scheint, folgt man den Ausführungen, vieles im Argen zu liegen: „Der Lernstoff passt nicht mehr zum Berufsbild“, sagt ein angehender Mechatroniker.

Die Betriebe springen dann oftmals in die Bresche, schulen nach. Ebenso in Harzgerode. Aber Wenzel weiß auch: „Wenn wir das nicht kompensieren könnten, hätten wir ein Problem.“ Anderen gelingt das nicht so gut. Die Wissensstände innerhalb einer Klasse seien daher sehr unterschiedlich, sagt der Azubi, der das Thema angeschnitten hat. Der Distanzunterricht verstärkt das noch.

Und zack, ist auch der Breitbandausbau wieder Thema: „Ich hatte Probleme, überhaupt auf die Internetseite der Schule zu kommen“, heißt es auf der einen Seite. Andere monieren, sie hätten schlechte Noten kassiert, weil es technische Fehler bei der Übertragung der Daten gegeben habe. Der Austausch ist erst mal nur ein Reinhorchen - mit einer einhelligen Erkenntnis auf allen Seiten: dass in puncto Bildung - auch in Folge der Pandemie - Etliches überdacht werden müsse. (mz/tho)