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Blankenburg Blankenburg: Adelshaus streitet mit Harzstadt um Statue

Von Silke Katenkamp 13.12.2011, 08:26

Blankenburg/dpa. - Für Außenstehende mag das Streitobjekt bloßeine belanglose Bronzestatue sein, die mit den Jahren grün angelaufenist. Für die Bürger der Harzstadt Blankenburg dagegen ist dieLöwenplastik ungefähr das, was den Bremern die Stadtmusikanten sindoder den Einwohnern von Kopenhagen ihre Meerjungfrau.

«Der Löwe», sagt Bürgermeister Hanns-Michael Noll, «ist einKulturgut von herausragender Bedeutung.» Jeder Blankenburger kennedie rund zwei Meter hohe Statue, die im Garten vor dem KleinenSchloss steht. «Beinahe jeder» habe als Kind schon auf ihr gesessen.Davon zeugt auch der Rücken des Bronzetieres: Von den vielen Hintern,die dort schon Platz genommen haben ist der blitzeblank gescheuert.

Doch jetzt droht den Blankenburgern ihr Wahrzeichenabhandenzukommen. Rechtlich gehört der Löwe - eine Nachbildung desBraunschweiger Löwen von 1166 - nämlich gar nicht ihnen, sondern demältesten Fürstenhaus Europas: dem Haus Hannover. Das war einst engmit Blankenburg verbunden.

Der Uropa des heutigen Welfen-Chefs Ernst August Prinz vonHannover lebte ab Anfang der 1930er Jahre samt Familie auf dem GroßenSchloss im Harz. Als der Zweite Weltkrieg endete, flohen dieBlaublütigen vor den sowjetischen Truppen nach Niedersachsen. VielHab und Gut blieb zurück, darunter auch der Bronzelöwe. Die Welfenwollen ihn nun wiederhaben.

Das Recht haben die Adeligen dabei auf ihrer Seite. Das Landesamtzur Regelung offener Vermögensfragen in Sachsen-Anhalt hat dem Antragder Familie auf Rückübertragung des Löwen stattgegeben. Weil dieStatue nach dem Ausgleichsleistungsgesetz ein «bewegliches Vermögen»sei, müssten die Blankenburger das Bronzetier zurückgeben. Bis Ende2014 haben sie dafür Zeit. Die Einwohner der Harzstadt sind entsetzt.Unter ihnen hat der Beschluss eine Welle der Entrüstung ausgelöst.

«Eine Frechheit» sei die Rückforderung, schreibt etwa ein wütenderBürger im Forum des Internetauftrittes der Stadt. Für die Welfen, ister überzeugt, sei der Löwe doch nur «ein Stück Metall». Und schimpft:«Hier geht es mal wieder nur ums Geld und das finde ich traurig».

Der Vorwurf liegt nahe. Das Adelshaus war aus einem ähnlichenGrund bereits 2005 in die Kritik geraten. Damals veräußerte dieFamilie in einer der größten Auktionen der Nachkriegsgeschichte rund20 000 Kunstschätze und Antiquitäten aus ihrem Besitz. DieVersteigerung antiker Gemälde, Möbel, Porzellan, Waffen und Textilienbrachte weit mehr als 40 Millionen Euro. Kritiker sprachen von einemAusverkauf der niedersächsischen Landesgeschichte.

Ähnliches befürchtet man jetzt auch in Blankenburg. Denn inSachsen-Anhalt geht es den Welfen nicht nur um den Bronzelöwen,sondern um weit mehr als 1000 Kunst- und Kulturgüter an verschiedenenStandorten. Sie stehen dem Adelshaus zu, betont dessenBevollmächtigter Mauritz von Reden. Einige davon habe man sichbereits zurückgeholt - darunter sieben barocke Gemälde aus demKaisersaal des Blankenburger Schlosses. Dass dies Wutgefühle wecke,sei verständlich. Man versuche aber, die Sache nüchtern zubetrachten. «Dem Gesetz nach ist das unser Eigentum», sagt von Reden.

Blankenburgs Bürgermeister Noll ist von dieser Haltung empört.Zwar sei auch er der Meinung: Bei der Eigentumsfrage für beweglicheGüter gebe es nichts zu diskutieren. «Aber bei dem Löwen geht es dochum ein Denkmal, das fest mit der Stadt verbunden ist.» Er sei daherkein «bewegliches Vermögen», sondern eine «bauliche Anlage». Deswegenhabe die Stadt gegen den Beschluss des Landesamtes Klage beimLandesverwaltungsgericht in Magdeburg eingelegt.

Das Gebaren des Adelshauses findet Noll unerträglich. «Das ist vonwenig Geschichtsbewusstsein geprägt», schimpft er - und betont: «Ohnedie Blankenburger würde es den Löwen doch gar nicht mehr geben.» Alsdie Kommunisten die Plastik 1952 vernichten wollten, seien es Bürgerder Stadt gewesen, die sich für den Erhalt eingesetzt hätten - undden Löwen vor der Einschmelzung bewahrten. Seiner Meinung nachbenutzt das Haus Hannover die Statue sowieso nur als emotionalesDruckmittel, um vom Land eine Gesamtlösung zu erzwingen.

Dies sieht man im Kultusministerium anders. Man sei jedoch bereit,die Stadt beim Ankauf bedeutender Kunstgegenstände wie demBraunschweiger Löwen zu unterstützen, erklärte eine Sprecherin. AmMittwoch will man sich deswegen mit Vertretern aus Blankenburgzusammensetzen. Vorab gibt Vermögensverwalter von Reden schon mal dieRichtung vor: «Das ist alles eine Frage des Preises.»