Als Mittlerin zwischen den Welten
QUEDLINBURG/MZ. - Sie wird am morgigen Sonntag um 14.30 Uhr in der Halberstädter Liebfrauenkirche durch Propst Christoph Hackbeil, Regionalbischof des Propstsprengels Stendal-Magdeburg, in ihren Dienst als Landespfarrerin für Gehörlosen- und Hörgeschädigtenseelsorge der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland eingeführt wird. Die 51-Jährige schmunzelt. "Als Pfarrerin kennen mich da eher wenige, aber ich habe dort Fachverkäuferin für Raumtextilien gelernt und mich zur Verkaufsstellenleiterin qualifiziert."
Die Theologin, die in Leipzig studiert hat, absolvierte ihr Vikariat jedoch gar nicht so weit fort von ihrem Geburtsort in Wegeleben, trat dann für zwölf Jahre im Kirchspiel "Am Hakel" ein Gemeindepfarramt an. In den vergangen Jahren widmete sich Elisabeth Strube der Seelsorge im Johanniterorden. "Eine spannende Zeit", sagt sie. "Die Palette reichte vom Altenheim in Gardelegen bis zur Klinik in Stendal, Bewohner, Patienten und Mitarbeiter waren zu betreuen." Nun wechselt sie in einen anderen Bereich der Sonderseelsorge, ihr Radius wird als Landespfarrerin größer, doch sie knüpft an das an, was sie bisher tat und nimmt die Gemeindestränge wieder auf.
Elisabeth Strube wird als Landespfarrerin für Seelsorge an gehörlosen und hörgeschädigten Menschen für den Norden der mitteldeutschen Landeskirche zuständig sein. "Ich war neugierig auf die Sprache dieser Menschen, wie leben sie, wie gestalten sie ihr Umfeld, wie pflegen sie ihre eigene Kultur. Dazu kommt, dass ich durch die Schwerhörigkeit meines Vater schon früh mit diesem Themenfeld verbunden war." So spricht die Pfarrerin sehr deutlich, schaut ihren Gegenüber bewusst an. Sie weiß, wie sehr sich Sprache und die Menschen bedingen.
Seit 2003 belegte Elisabeth Strube Kurse bei der Deutschen Ausbildungsgemeinschaft für evangelische Gehörlosenseelsorge, besuchte Aufbaukurse, nutzte Angebote der Landeskirche und sah sich am Fachbereich Gebärdendolmetscher der Fachhochschule Magdeburg um.
"Und sie hat bei uns im Cochlea Implant-Zentrum hospitiert", erzählt Pfarrerin Hannah Becker, Vorsteherin des Cecilienstiftes Halberstadt. Die Einrichtung betrachtet Pfarrerin Strube als eine der beiden wichtigsten Säulen ihrer Arbeit. Sie möchte dort, wenige Meter von ihrem neuen Dienstsitz in der OdF-Straße 18 "für Seelsorge zur Verfügung stehen und das auch einmal wöchentlich den Eltern der dort betreuten anbieten."
Halberstadt hält die Seelsorgerin für einen ganz wichtigen Ort, um ihrem Auftrag gerecht zu werden. Da muss man weit in die Geschichte zurückschauen. Die Domstadt sei seit über mehr als einem Jahrhundert das Zentrum der Betreuung Gehörlosen, Hörgeschädigten und im vergangenen Jahrzehnt verstärkt von Taubblinden im Landeszentrum für Hörgeschädigte. "Das gemeinsame Lernen dort verbindet auch noch nach Jahrzehnten. Ich sehe auf diesem Weg wesentliche Anknüpfungspunkte zu den im Land verstreut lebenden Betroffenen."
Elisabeth Strube versteht sich als Mittlerin zwischen den Welten der Hörenden und der Hörgeschädigten. "Ich möchte nicht nur Christen dieses innere Alleinsein durch Schwerhörigkeit ersparen. Nachdenklich zeigt sie auf, welche neue Herausforderungen in den kommenden Jahren auf sie und ihre Kollegen zukommen. "Es mag makaber klingen, aber die große Zukunft der Hörschädigung liegt dank Techno und Walkman noch vor uns. Aber heute erreicht auch die erste Generation Gehörloser das Altenheimalter oder werden pflegebedürftig. Wohin sollen sie gehen, wo werden sie verstanden?"
Pfarrerin Strube sieht dabei sogar Chancen für die Pflegelandschaft in Halberstadt. "Möglicherweise kehren sie zum Lebensabend in die Stadt zurück, wo sie zur Schule gingen, weil hier eine gute Betreuung möglich ist?" Sie sucht auf diese Fragen Antworten und bietet Begegnungen zwischen Hörenden und Hörgeschädigten an. "Wenn man etwas weiß, ist man sich nicht mehr fremd und nicht verunsichert. Darum versuche ich ein Netz von Ehrenamtlichen aufzubauen." Vielleicht ist das weit komplizierter als Gotteshäuser mit Induktionsschleifen auszurüsten, damit Gottes Wort auch zu Hörgeschädigten klingt. Wie in der technisch gerüsteten Halberstädter Liebfrauenkirche am Sonntag.