Wie ein Dornröschenschloss
Naumburg. - Geblieben sind der Naumburgerin die Erinnerungen, ein Briefumschlag mit zahlreichen Schwarz-Weiß-Fotos und Zeitungsausschnitte. In den Artikeln wird über die Sanierung des Hauses 21 der Kadette und den Umbau zu einem modernen Wohnheim für Bundeswehrfachschüler berichtet. "Es sah damals anders aus, nahezu verwunschen wie ein Dornröschenschloss. Alles war grün. Im Garten stand ein Springbrunnen, hinter dem Haus ein Gartenhäuschen", erzählt sie. Das Gartenhäuschen wurde zum Motiv für den bekannten Naumburger Maler Fritz Amann.
Ursula Hannebohn ist die Enkelin des einstigen Briefmarkenhändlers Richard Salecker. Er übernahm einige Jahre nach der Jahrhundertwende das Geschäft von seinem Vorgänger Alwin Zschiesche, der das Haus 1881 erbauen ließ. Ab 1911 lebte Salecker in einer Wohnung der schmucken Klinkervilla mit der Adresse Kösener Straße 17, die Mitte der 20er Jahre zur Kösener Straße 45 / 47 umbenannt wurde. So sagen es die Adressbücher, die im Naumburger Stadtarchiv einsehbar sind. Mit den Jahren wechselten die Eigentümer; nach Zschiesche kam ein Erfurter Kaufmann mit Namen Linge, später der Fabrikbesitzer Müller.
Die kleine Ursula war damals regelmäßig zu Besuch bei den Großeltern, die Familie wohnte in Almrich. Zu Ostern wurden die bunten Ostereier in dem Areal in der Kösener Straße versteckt, das sich bis zu den Moritzwiesen erstreckte. Auf dem Dachboden fand das Mädchen hingegen so manche Rarität. Großvater Richard hat sie als gesitteten, aber unnahbaren Mann in Erinnerung. Seit diesen Kindertagen ist sie indes nicht mehr im Haus und auf dem Gelände gewesen. 1936 starb Salecker, nachdem er mit der Inflation fast sein ganzes Vermögen verloren hatte. Das Haus ging in den Besitz der Nationalpolitischen Erziehungsanstalt, der Napola, über, wurde zu einem Gemeinschaftshaus umgebaut. Nach dem Zweiten Weltkrieg nutzten die kasernierte Volkspolizei und die Nationale Volksarmee das stattliche Gebäude. Im Erdgeschoss befand sich die sanitätsärztliche Versorgung, darüber Unterkünfte für Lehrgangsteilnehmer.
Heute ist es wieder ein Wohnheim mit 24 Unterkünften. Knapp zwei Millionen Euro wurden bis 2011 in die denkmalgerechte Sanierung des Hauses investiert, gefördert mit Mitteln des Konjunkturprogramms II. Zur feierlichen Übergabe Anfang Mai letzten Jahres würdigte Regierungsdirektor Heinz-Jürgen Kampfenkel das Gebäude als architektonisches Kleinod. Der Zeitungsbeitrag habe vieles wieder aufgewirbelt, bemerkt Ursula Hannebohn, die heute im Flemminger Weg zu Hause ist. In einem Gespräch mit Tageblatt / MZ versprach der Kommandant der Kaserne, Oberleutnant Nico Wichmann, sie bald einmal zum Ort ihrer Kindheit zu führen.