Wenzel vom 12. Oktober Wenzel vom 12. Oktober: Südfrüchte im eigenen Garten

Saubach - Der ICE Heidelberg macht planmäßig Halt. Kurz nach sechs Uhr hat er Leipzig verlassen und sich mit Tempo 230 auf den Weg nach Sachsen-Anhalt gemacht. Dass der Zug keinen einzigen Fahrgast an Bord hat, stört die beiden Lokführer Rico Schneck aus Freiberg und Matthias Schuricht aus Rochlitz nicht. Deutschlandweit sind sie unterwegs, an jenem Sonnabend ist ihr Ziel indes kein Bahnhof, sondern der Bibratunnel. „Bis Dezember sind zwei Züge für Probefahrten abgestellt“, erklärt Schneck. Dieser Zug hat eine besondere Aufgabe: Er ist auch Lehrobjekt. Mehr als 200 Männer und Frauen der Feuerwehren des Gebietes Unstruttal und An der Finne sowie des DRK sind am Westportal des Tunnels zum Ausbildungstag zusammengekommen. Ebenfalls vor Ort: Mitglieder des THW Naumburg. Nach einer Aktion am Osterbergtunnel im September (wir berichteten) ist dies der zweite große Einsatz an der neuen ICE-Strecke Erfurt-Leipzig/Halle. Am 24. Oktober wird im Finnetunnel der dritte erfolgen. Dort werden auch Feuerwehren des Landkreises Sömmerda eingebunden. Der Burgenlandkreis wird allerdings auch dann erneut die Regie übernehmen.
Am Bibratunnel hält Kreisbrandmeister Silvio Suchy als Einsatzleiter alle Fäden in der Hand. Unter der großen Fahrzeugflotte ganz in Rot befindet sich auch eines der Freiwilligen Feuerwehr Sössen mit der Fernmeldeeinheit an Bord. Direkt am Portal machen sich die Feuerwehrleute mit der Atemschutz-Technik und der Trockenleitung vertraut. Der Einsatzleiter macht indes eine Probefahrt auf einem nigelnagelneuen Quad, das im Ernstfall genutzt werden soll. Ina Sielaff (Feuerwehr Bad Bibra) und Thomas Schönfuß (Feuerwehr Altenroda) kommen im Tunnel mit Mitgliedern des Innenausschusses des Kreistages ins Gespräch, die sich ein Bild vom Geschehen machen wollen. Auch deshalb, weil es im Vorfeld seitens der Verbandsgemeindebürgermeisterinnen Jana Grandi und Monika Ludwig Kritik an fehlender Technik gegeben hat, die Übungen „nur“ als Ausbildungstage umgesetzt werden können (wir berichteten). Von der angeforderten Technik steht mittlerweile ein Großteil bereit. Zwei Geräte-Wagen fehlen noch. Es gebe Lieferschwierigkeiten des Herstellers, räumt Mike Flügel von der DB Netz AG ein. Die Deutsche Bahn ist selbst mit rund 80 Mitarbeitern aus verschiedenen Bereichen vor Ort, die sich schulen. Am Westportal des Finnetunnels werde zeitgleich eine Instandhaltungsübung durchgeführt. Die Bahn habe mit dem Eisenbahnbundesamt alle Richtlinien umgesetzt. Aufgrund der Länge des Finnetunnels wurde zudem die Speicherkapazität für Löschwasser erhöht. Für den Bibratunnel soll bis 2017 eine weitere Zufahrt für Rettungskräfte errichtet werden, so Flügel weiter.
Doch die Bedenken einiger Ausschuss-Mitglieder scheint nicht zu schwinden. Rüdiger Erben (SPD) fragt an, ob das Eisenbahnbundesamt bei der Erteilung der Erlaubnis zur Inbetriebnahme der Strecke zwischen einem Ausbildungstag und einer Übung unterscheidet. Manuela Hartung (SPD) interessiert sich für die Kapazität und den Transport des Löschwassers. Zuvor berichtete Feuerwehr-Frau Ina Sielaff, dass im Fall eines Brandes des Zuges der Großteil des Wassers für die Kühlung der Röhre genutzt wird, um deren Zusammenbruch infolge der Hitze zu verhindern. „Im Ereignisfall gilt es, die Menschen zu retten und nicht das Bauwerk. Ein Großbrand im Zug kann nur entstehen unter Einsatz eines Brandbeschleunigers“, stellt Flügel klar. Mit Blick auf das erdachte Szenario der Ausbildung ergänzt DB-Netz-Mitarbeiter Andreas Monse: „Ein ICE entgleist nur durch Fremdeinwirkung oder technischen Schaden.“ Silvio Suchy zeigt sich zufrieden mit dem Tag: „Wir werden uns noch den Einsatz der Wärmebildkamera und die Schaltstellen des Zuges vornehmen.“ Am Finnetunnel werde die Aktion dann nicht mehr als Stationsbetrieb, sondern als Rettungsablauf durchführt.
Dass das Eisenbahnbundesamt die Inbetriebnahme der Strecke hinausschiebt, ist unwahrscheinlich. „Angesichts 25 Jahre Deutsche Einheit besteht ein großer politischer Druck, die Strecke zu eröffnen“, meint Verbandsgemeindebürgermeisterin Jana Grandi. Nach Inbetriebnahme soll es jährlich eine Übung in einem der Tunnel geben, so Flügel. Die gewonnenen Erkenntnisse der Ausbildungstage sollen während eines Gespräches zwischen Landkreis und Deutscher Bahn besprochen werden. Das Treffen ist für Anfang November anberaumt. Im kommenden Monat sollen auch die fehlenden Transportfahrzeuge an den Landkreis gehen, bemerkte Lutz Blech, Leiter des Amtes für Brand- und Katastrophenschutz und Rettungswesen. Die Inbetriebnahme der Strecke ist für Dezember vorgesehen.

