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Vorstand erhielt blauen Brief

Von Roland Lüders 11.08.2008, 16:08

Görschen. - Wolfgang Beckmann, bereits seit 10. Juli von seinem Amt freigestellter Vorstand der Anstalt öffentlichen Rechts Abfallwirtschaft Sachsen-Anhalt Süd (AW), ist nun endgültig von seinem Posten abberufen worden. Das gab Harri Reiche, Vorsitzender des AW- Verwaltungsrates, gestern im Anschluss an eine außerordentliche Ratssitzung in Görschen bekannt. Ebenso kündigte der Verwaltungsrat auch Beckmanns Anstellungsverhältnis mit der AW. Für Harri Reiche und die Mitglieder des AW-Verwaltungsrates ist das Verhalten von Wolfgang Beckmann ein nicht für möglich gehaltener Vertrauensbruch. "Ich bin maßlos von ihm enttäuscht", sagte gestern das Kreisoberhaupt unserer Zeitung im Anschluss an die AW-Aufsichtsratssitzung.

In deren Mittelpunkt standen erste Konsequenzen aus dem Müllskandal auf den in AW-Regie laufenden Deponien Zeuchfeld und Nißma, für den man den bisherigen AW-Vorstand verantwortlich macht. "Der Verwaltungsrat fühlt sich belogen und betrogen", begründet Reiche Beckmanns Rauswurf. Dem AW-Chef werden nicht nur mangelnde Kontrollen bei der Deponierung von Abfällen vorgeworfen. Ebenso habe er seine Unterrichtungspflicht gegenüber dem Verwaltungsrat nicht wahrgenommen und statt dessen bis zuletzt versucht, die Einlagerung von nicht genehmigtem Müll in Zeuchfeld zu vertuschen. Ebenso will man den Vorstand auch von allen Geschäftsführerfunktionen in mit der AW verknüpften kommunalen Unternehmen entbinden, so in der Entsorgungsfirma Egsas oder beim Weißenfelser Kompostwerk. "Die unbezahlte Freistellung des Vorstandes sollte bis zum Vorliegen von gesicherten Erkenntnissen in Blick auf die Vorwürfe gegen die AW erfolgen", erläuterte Reiche. Diese Vorwürfe hätten sich nach den Untersuchungen des Landesverwaltungsamts so weit erhärtet, dass erwähnte arbeitsrechtliche Schritte folgen mussten.

Allein in Zeuchfeld wurden seit Juni 2005 200 000 Tonnen verbotenen Abfalls deponiert. Dieser Müll enthält einen zu viel zu hohen Anteil an organischen Bestandteilen, die nach Aussage von Kreisdezernent Gundram Mock aber nicht umweltgefährdend oder gar giftig sind. Beckmann, seit Juni 2005 im Amt, war als Geschäftsführer des Zweckverbandes Abfallwirtschaft und seit September 2007 nach dessen Umwandlung in die Abfallanstalt als deren Vorstand mit einer Fülle von Befugnissen ausgestattet, die die seines Vorgängers weit übertrafen. Angesichts der Missstände, die durch diese "Alleinherrschaft" entstehen konnten, denke man jetzt über eine Änderung der Unternehmensstruktur nach, ließ der Verwaltungsratsvorsitzende durchblicken. Ob allerdings künftig ein mehrköpfiges Vorstandsgremium die Anstalt leiten wird, müsse der Kreistag entscheiden. Reiche verwies mit Blick auf das bisherige hohe Vorstandsgehalt auf die Geldfrage. Die Personalkosten dürften nicht noch weiter steigen.

Ebenso wenig soll der Müllskandal Auswirkungen auf die Höhe der Abfallgebühren haben. Reiche erwähnte in diesem Zusammenhang die laufenden staatsanwaltlichen Ermittlungen in diesem Fall. Die Kosten für illegale Einlagerungen würden den Verursachern bei der AW als auch den Anlieferern in Rechnung gestellt. Allerdings hofft der Vorsitzende auf eine einvernehmliche Lösung mit dem Landesverwaltungsamt, die der Anstalt das Ausbaggern der 200 000 Tonnen in Zeuchfeld erspart.