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Amtsgericht Naumburg Polizisten ignorieren richterliches Schreiben

Junger Naumburger wird wegen mehrerer Straftaten wie Diebstahl und Verwendung des Hitlergrußes angeklagt. Von einem Vorwurf wird er freigesprochen.

Von Jana Kainz 22.09.2021, 10:56
Im Amtsgericht Naumburg wurde ein 22-Jähriger von einem von insgesamt drei Anklagepunkten freigesprochen.
Im Amtsgericht Naumburg wurde ein 22-Jähriger von einem von insgesamt drei Anklagepunkten freigesprochen. picture alliance / David Ebener

Naumburg - Freispruch, vorläufige Einstellung, Geldstrafe - dies ist keine - zumal unvollständige - Aufzählung von Varianten, wie ein Strafprozess für den Angeklagten ausgehen könnte. Vielmehr ist genau so ein Verfahren für einen 22-Jährigen dieser Tage am Amtsgericht Naumburg zu Ende gegangen, wobei hinter dem Freispruch der wohl interessanteste Vorfall steckt.

Freigesprochen wurde der Naumburger vom Vorwurf, Widerstand gegen Polizisten geleistet zu haben - zumindest rechtswidrigen. Denn die Stirn hatte er den Beamten durchaus geboten - jedoch ganz rechtmäßig, wie sich während des mehrtägigen Strafprozesses herausgestellt hatte. Ganz und gar nicht korrekt hatten hingegen die Uniformierten gehandelt. Doch von vorn: Am 31. Januar war der Angeklagte seinem jüngeren Bruder zu Hilfe geeilt, als ihn Polizisten vor dem Haus der Mutter verhaften wollten (wir berichteten). Dabei beriefen sich die Beamten auf einen Haftbefehl. Dieser jedoch, und das hatten die Brüder einst versucht zu erklären und mit einem Schreiben zu belegen, war außer Vollzug gesetzt worden. Dazu gab es zwei Schriftstücke: von der Rechtspflegerin die Ladung zum Aufschub des Haftantritts und dieser vorangegangen die von der Jugendrichterin unterzeichnete Außervollzugsetzung des Haftbefehls. Welches Schreiben auch immer der Bruder einst parat hatte - indem die Polizisten ihn verhaften wollten, setzten sie sich über das Schreiben der Richterin hinweg. Von einem Zettel samt richterlicher Unterschrift hatten die Beamten, so wurde im Prozess deutlich, durchaus gewusst. Dennoch „meinte man, es ignorieren zu können und sich nicht weiter darum kümmern zu müssen“, resümierte der Amtsrichter. Folglich hatte sich der Angeklagte damals nicht strafbar gemacht, als er sich den Polizisten in den Weg stellte, während sein Bruder flüchtete. „Nicht rechtmäßig war die Maßnahme der Polizei, den Bruder festnehmen zu wollen“, so der Richter, der von einem „glatten Freispruch“ sprach.

Es war zu vorgerückter Stunde an einem Julitag vorigen Jahres, als er bei einem Einsatz der Polizei nahe der Vogelwiese den Hitlergruß gezeigt und auch geäußert hatte. Während daraufhin die Beamten seine Personalien feststellen wollten, habe er sich gewehrt, so dass er zu Boden gedrückt wurde. Da er dabei aber keine besondere Gewalt angewandt hatte und vor Gericht auch deutlich wurde, dass er nicht nationalsozialistischer Gesinnung sei, sondern einst nur provozieren wollte, sah es der Richter als angemessen an, ihn zu einer 350-Euro-Geldstrafe zu verurteilen.

Eingestellt wurde die Anklage wegen Diebstahls. In Naumburg soll der 22-Jährige vor genau einem Jahr ein gefundenes iPhone statt zum Fundbüro zu bringen, für 50 Euro verkauft haben. Die dazu vernommenen Zeugen brachten allerdings kein Licht in diesen Vorfall. So beantragte der Staatsanwalt, diesen Anklagepunkt vorläufig einzustellen - mit Blick auf die verbleibenden Straftaten, die man dem Angeklagten nachweisen konnte. Demnach hatte er Kennzeichen einer nationalsozialistischen Organisation verwendet und in diesem Zusammenhang Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte geleistet.