1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Naumburg
  6. >
  7. Nachruf auf Friedrun Hege: Im Gleichgewicht der Dinge

Erinnerung an bekannte Bühnentänzerin und Tanzpädagogin Nachruf auf Friedrun Hege: Im Gleichgewicht der Dinge

Im Alter von 94 Jahren ist beliebte Naumburgerin am 26. November verstorben. Sie prägte Generationen.

Von Henry Sapparth Aktualisiert: 13.12.2021, 10:25
Die Tanzpädagogin Friedrun Hege starb im Alter von 94 Jahren.
Die Tanzpädagogin Friedrun Hege starb im Alter von 94 Jahren. (Foto: Paula Sophie Hege)

Naumburg - Am Sonnabend, dem 3. Oktober 1998, hatten sich im großen Saal des Oberlandesgerichts in Naumburg Verwandte, Freunde, Weggefährten und vor allem ehemalige Tanzschülerinnen und Tanzschüler von Friedrun Hege eingefunden, um sie mit einer Hommage anlässlich ihres 50-jährigen Berufsjubiläums zu ehren. Neben den Tanzschülerinnen und Tanzschülern des inzwischen von Beatrix Fichtner geleiteten Tanzstudios trat auch Tochter Conny Hege mit einem Stück auf. Durch das Programm führte der Berliner Schauspieler Andreas Rüdiger.

Schon als Kind zum Tanz

Der Ort der Ehrung hätte nicht passender sein können, denn in Naumburg hatte die frühere Bühnentänzerin Friedrun Hege den größten Teil ihres Berufslebens als Tanzpädagogin gewirkt. Noch mit über 70 Jahren wollte sie sich nicht zur Ruhe setzen und ihre Erfahrungen im Umgang mit dem Körper weitergeben. Viermal in der Woche leitete Friedrun Hege am Heinrich-von-Stephan-Platz in Naumburg für 60 Frauen eine Gymnastik- und Rückenschule.

Am 16. Mai 1927 in Dresden geboren, hatte Friedrun Hege, geborene Werner, sich schon als Kind dem Tanz verschrieben. Als sie elf Jahre alt war, zogen die Eltern mit ihr nach Naumburg, von wo es später nach Halle, Weimar und Wien ging. Von dort kehrte die Familie jedoch nicht wieder nach Dresden, sondern, was sich als Schutz vor den Bomben des Zweiten. Weltkriegs erwies, nach Naumburg zurück. Von 1945 bis 1948 war Friedrun Hege Tanzschülerin bei Mary Wigman in Leipzig. Von 1948 bis 1954 gab sie in der Naumburger Volkshochschule Kurse für künstlerische Gymnastik. Nach ihren Engagements auf Bühnen in Weimar und Frankfurt am Main kehrte sie 1960 endgültig nach Naumburg zurück und heiratete den Fotografen Fritz Hege, mit dem sie fortan in der obersten Etage des Hauses Markt 10 lebte. Im gleichen Jahr kam Tochter Conny zur Welt.

An der Seite Gret Paluccas

In der Saalestadt arbeitete Friedrun Hege in ihrem Tanzstudio mit Kindern und Jugendlichen, die sie zum Teil vom Vorschulalter bis zum Abitur tanzpädagogisch begleitete. Parallel dazu leitete sie von 1968 bis 1986 auch die Tanz-Ensembles im Kulturhaus Leuna beziehungsweise im Klubhaus Buna. Neben ihrer tanzpädagogischen Arbeit war Friedrun Hege von 1964 bis 1990 Mitglied des Bezirkskabinetts für Kulturarbeit. In die Musikschularbeit integriert, arbeitete sie in Dresden unter anderen mit Gret Palucca zusammen. Im Jahr 1994 übergab sie in Naumburg ihre letzte Kindertanzgruppe ihrer ehemaligen Schülerin Beatrix Fichtner. Bis zu dieser Zeit hatte Friedrun Hege über 3.000 Schülerinnen und Schüler im Tanz unterrichtet, unzählige Choreographien zusammen mit ihnen erarbeitet und bei öffentlichen Auftritten vorführen lassen. Als Tanzpädagogin hat sie tiefgreifende Spuren im künstlerischen Werdegang jener Menschen hinterlassen, die sie unterrichtete und die sie begleitete. Ihre Tochter Conny berichtete einst: „Einen Großteil meines Handwerks habe ich bei meiner Mutter erlernt. Auch hat sie die Faszination des Tanzes auf mich übertragen. Tänze entstanden, die von mehreren Naumburger Tanzgenerationen getanzt wurden...“

Friedrun Hege hat jedoch nicht nur auf dem Gebiet des künstlerischen Tanzes viel getan und bewirkt. Sie hat ihrer Existenz darüber hinaus einen Wert verliehen, indem sie mit ihrer Herzenswärme, mit ihrer Zuwendung und mit ihrem Mitgefühl menschliche Qualitäten entwickelte und ihren Mitmenschen vorlebte. Bis ins hohe Alter konnte sie ihnen eine Quelle für das Lüften des Geheimnisses eines sinnvollen, ästhetisch anspruchsvollen und friedvollen Lebens sein. Was Friedrun Hege zutiefst verinnerlicht hatte, war die Fähigkeit, Harmonie zu wahren, das Gleichgewicht der Dinge aufrechtzuerhalten, den anderen Raum zu geben, ohne die eigene Stellung zu verlieren. Mit dieser Fähigkeit, aber auch mit ihren Ratschlägen hat sie bei ihren Mitmenschen ebenfalls unauslöschliche Spuren hinterlassen.

Nach Sturz im Rollstuhl

Selbst in ihrer letzten Lebenszeit in Pflege, als ihre körperlichen und geistigen Kräfte zusehends nachließen, strahlte Friedrun Hege in der Begegnung mit ihren Besuchern Harmonie aus, brachte sie mit ihrem großartigen Humor das äußerst engagiert arbeitende Pflegepersonal zum Lachen und verkraftete so ihre unabänderliche Lage. Nach einem Sturz im vorigen Jahr richtete sie sich nochmals auf, „...und wenn auch von nun an im Rollstuhl sitzend und gebremst in ihrem Bewegungsdrang“, berichtet ihre Tochter Conny, mit der sie auch im Jahr 2021 noch viele schöne und intensive Begegnungen während der Besuche im Pflege- und Betreuungszentrum Spätsommer hatte, „tanzte sie ihren letzten Tanz: AkzepTanz!“

Am 26. November fand das Leben Friedrun Heges in Naumburg sein friedvolles Ende.

Henry Sapparth lebt in Zürich, Berlin und Naumburg. Er wirkt neben seiner Lehr- und Mentorentätigkeit im Kanton Zürich als Autor. Zuletzt erschien sein Roman „Die letzte Freundschaft“.