Kommentar Kommentar: Vereine vor Ort stärken

Kleinjena - In Klein- und Großjena gab es in den vergangenen Tagen eigentlich nur ein Thema. Überspitzt lautet es: „Das Grüne Tal wird zur Flüchtlingsunterkunft, und deswegen muss der Karneval ausfallen.“ Doch die Wahrheit ist natürlich viel komplexer.
Die Geschichte dahinter ist die der Familie Reichenbach, die in Kleinjena den Gasthof „Zum Fässchen“ samt Pension sowie den Saal (das „Grüne Tal“) bewirtschaftet. Viel Arbeit, und für Petra Reichenbach nicht mehr zu schaffen, nachdem Ehemann Rudi erst schwer erkrankt und im Frühjahr dieses Jahres schließlich verstorben ist.
Verkauf des Saals wurde überlegt
Was nun? Petra Reichenbach beschließt für sich, den Saal abzugeben. Die Einnahmen durch den quasi einzigen Nutzer, den Großjenaer Karnevalsverein (GKV), sind mehr als bescheiden, decken kaum die Kosten. Petra Reichenbach und ihre Töchter bieten den Karnevalisten an, den Saal selbst zu betreiben, denken sogar ernsthaft über einen Verkauf nach. Es gibt Interessenten. Die finanzielle Not scheint nicht unbeträchtlich. In einem Gespräch mit dem Karnevalsverein, aus dem die Familie einst im Streit ausgetreten war, wird Petra Reichenbach jedoch noch einmal schwach und bietet die Bewirtung für eine weitere Session an.
Um den derzeitigen Sachstand zur eventuellen Neu-Nutzung des „Grünen Tals“ in Kleinjena vermitteln zu können, lädt die Kreisverwaltung am kommenden Freitag, 30. Oktober, zu einer Einwohnerversammlung ein. Sie wird ab 19 Uhr im Saal des „Grünen Tals“ stattfinden. Einwohner können sich dann auch Antworten auf ihre Fragen rund um die Themen Flüchtlingsunterbringung und Zukunft des Großjenaer Karnevalsvereins erhoffen.
Dann aber kommt die Flüchtlingskrise. Der Zustrom Asylsuchender trifft auch den Burgenlandkreis immer intensiver. Und vor zwei Wochen kommt Landrat Götz Ulrich (CDU) mit Reichenbach-Tochter Tina Kirchhoff (ihres Zeichens Freyburger CDU-Stadträtin und Schatzmeisterin des dortigen Fußballclubs) auch über das „Grüne Tal“ ins Gespräch. Für beide erscheint eine Win-Win-Situation am Horizont.
Ulrich muss derzeit etwa 250 neue Flüchtlinge pro Woche unterbringen. Diese werden zum Teil spätabends aus Halberstadt gebracht und bis in die Nacht hinein in der Kreisverwaltung registriert und auf Unterkünfte verteilt. Eine neue Einrichtung zur Erstaufnahme ist also dringend nötig.
„Deutliche Mehreinnahmen“
Für die Kleinjenaer Wirtin, die die Thematik an ihre Tochter Tina weitergegeben hat, hingegen steht finanzielle Milderung in Aussicht. „Die möglichen Einnahmen sind nichts, an dem man sich gesundstoßen kann, aber doch deutliche Mehreinnahmen“, meint Kirchhoff. Ein Vertrag über vier oder fünf Jahre steht im Raum. So weit, so verständlich. Dann aber sickert das Vorhaben im Dorf durch. Die Empörung wächst - vor allem in der Frage, was mit den geplanten Karnevalsveranstaltungen geschieht, wenn der Saal demnächst mit Flüchtlingen belegt ist. Petra Reichenbach fühlt sich mittlerweile regelrecht angefeindet. Der Präsident des Karnevalsclubs, Daniel Böttger, ist indes um Sachlichkeit bemüht: „Ich kann das Handeln des Landrates aus politischen und das Handeln von Frau Reichenbach aus wirtschaftlichen Gründen verstehen. Aus emotionaler Sicht fällt das Verständnis schwer, denn wir wurden von heute auf morgen vor vollendete Tatsachen gestellt“, so Böttger, dessen GKV keinen Nutzungsvertrag hat. Wie es mit dem Verein, vor allem der Session 2015/16 weitergehen wird, ist unklar. Gestern gab es ein Treffen mit Landrat Ulrich. Klar wurde dabei, dass der Vergabeausschuss des Kreistages heute Abend über die Anmietung und Nutzung des „Grünen Tals“ entscheiden wird. Eine Zustimmung für das so dringend benötigte Objekt scheint nach den Erfahrungen mit anderen Immobilien als wahrscheinlich.
Genutzt werden soll es, so war zu vernehmen, als Erstaufnahmestelle bei nächtlichen Anreisen via Bussen aus Halberstadt. Die Flüchtlinge könnten so erst einmal mit festem Dach über dem Kopf übernachten und könnten dann, tags drauf, behördlich erfasst und in andere Unterkünfte verteilt werden. Längere Wohnaufenthalte im „Grünen Tal“ seien derzeit also nicht geplant, so Ulrich weiter.
„Es ist dem Landrat hoch anzurechnen, dass er unsere Probleme als Karnevalsverein erkennt und uns helfen will“, sagt Präsident Böttger. Es gelte auf alle Fälle zu verhindern, dass die Session komplett ins Wasser fällt und somit womöglich gar das Aus des Großjenaer Clubs eingeleitet wird.
Neuer Ort oder späterer Einzug?
Zwei Lösungen stehen im Raum. Die erste wäre eine räumliche Alternative. Doch die ist schwer zu finden und nicht in Sicht, wie Böttger erklärt. Die zweite, vorläufige Lösung wäre, dass das „Grüne Tal“ erst Mitte Februar - nach den sieben geplanten GKV-Sitzungen - umfunktioniert wird. Darüber muss nun verhandelt werden. Tina Kirchhoff hat Verständnis für die Lage des GKV, sie bietet an, dass der Verein die Tontechnik und das Mobiliar ihrer Familie aus dem Saal mitnehmen darf.
Noch ist etwas Zeit. Die einzige GKV-Veranstaltung in diesem Jahr findet eh auf dem Dorfplatz statt. Dort wird am 14. November ab 14.30 Uhr das alte Prinzenpaar verabschiedet und das neue proklamiert. Auch der Umzug wird durchgezogen.