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Jahresbilanz Jahresbilanz: Mehr Kameraden und Einsätze

Von harald boltze 12.03.2014, 09:25
Rückbildung nach der Schwangerschaft mit Hebamme Franziska Drachau: Die Kurse in der Naumburger Hebammenpraxis sind gefragt.
Rückbildung nach der Schwangerschaft mit Hebamme Franziska Drachau: Die Kurse in der Naumburger Hebammenpraxis sind gefragt.  Fotos : torsten biel Lizenz

naumburg - Die Situation ist fatal: Drängt es ein Kind auf die Welt, muss die Geburt von einer Hebamme begleitet werden. Ein Arzt muss nur hinzugezogen werden, wenn Komplikationen zu erwarten sind oder sich während der Entbindung einstellen. So sieht es das deutsche Hebammengesetz vor. Anders als Ärzte, die über das Klinikum versichert sind, müssen sich freiberufliche Geburtshelferinnen per Gesetz gegen Schadenersatz bei Geburtsfehlern mit einer Haftpflicht versichern. Doch diese Möglichkeit wird ihnen voraussichtlich ab 2015 verwehrt sein, wenn sich, wie angekündigt, die Nürnberger Versicherung als letzter Anbieter aus der Berufshaftpflicht für freiberufliche Hebammen zurückzieht. Das würde einem Berufsverbot gleichkommen.

Doch ohne freiberufliche Hebammen könne im Burgenlandkreis keine Geburtshilfe mehr angeboten werden - weder in Geburtshäusern, sofern vorhanden, noch in Kliniken. Denn in den Einrichtungen in Weißenfels, Zeitz und Naumburg werden Kinder mit Hilfe von freiberuflichen Hebammen - den Beleghebammen - zur Welt gebracht. In Naumburg und Zeitz, den Standorten der Klinikum Burgenlandkreis GmbH, waren das im vergangenen Jahr immerhin 738 Kinder. Ohne diese Beleghebammen müssten die Eltern für die Entbindung lange Wege zu den größeren Kliniken, wie den Unikliniken mit ihren fest angestellten Hebammen, zurücklegen. Damit steigt die Gefahr, dass der Nachwuchs auf dem Weg dahin geboren wird.

Lars Frohn, Geschäftsführer der Klinikum Burgenlandkreis GmbH, möchte die leistungsfähige Geburtshilfe an beiden Standorten erhalten. Wie das funktionieren kann, dazu müsse die politische Entwicklung abgewartet werden. „Wir prüfen, gegebenenfalls Hebammen fest anzustellen, um weiterhin die wohnortnahe Entbindung zu ermöglichen“, so Frohn. Diese Hebammen wären dann wie alle anderen Angestellten des Klinikums über den kommunalen Schadensausgleich haftpflichtversichert. Nicht mehr angeboten werden würde auch in diesem Fall die Vor- und Nachsorge, die von den Geburtsvorbereitungskursen über Babypflege, Rückbildungskurse, Babymassagen bis hin zu den Beratungsterminen nach der Geburt daheim bei den Familien reicht, und die nur von den freiberuflichen Hebammen angeboten wird. Darüber hinaus sind sie für die jungen Mütter rund um die Uhr telefonisch erreichbar - von der Schwangerschaft bis zum 9. Lebensmonat des Kindes.

Diese Vor- und Nachsorge ist gefragt. Auch Franziska Drachau und Heike Wöller haben in ihrer im Juni 2012 eröffneten Hebammenpraxis in Naumburg viel zu tun. „Die Kurse sind voll, wir müssen Frauen teilweise woanders hinschicken“, so Franziska Drachau. Die beiden betreuen 90 bis 120 Frauen pro Woche in ihrer Praxis - neben den Bereitschaftsdiensten und den Entbindungen in der Klinik. Unterm Strich bleibe ihnen aber finanziell wenig zum Leben übrig. Wie ihre Kolleginnen kämpfen die beiden Hebammen mit der permanenten Erhöhung ihres Haftpflichtbeitrags. Von einst 453 Euro (im Jahr 2003) hat sich der Jahresbeitrag in den vergangenen zehn Jahren verzehnfacht. Bei einem Stundenlohn von acht Euro ist es eher Idealismus, die Liebe zum Beruf, der für sie Berufung ist, der die Hebammen am Ball bleiben lässt. Im Juli 2014 soll der Beitrag erneut steigen - um 20 Prozent. Dann muss jede Hebamme 5 000 Euro Haftpflicht im Jahr berappen. An das drohende Berufs-Aus möchten Franziska Drachau und Heike Wöller nicht denken. Während die 31-jährige Franziska Drachau sich eine andere Tätigkeit nur schwer vorstellen kann, weil Hebamme für sie der „schönste Beruf der Welt ist, meint die 53-jährige Heike Wöller, dass sie beruflich dann „ins Bodenlose falle.“