historie historie: Einst Schwurgericht
naumburg. - Verschlossen bleibt hingegen die Eisentür, die jahrzehntelang auf Knopfdruck Besuchern Eintritt gewährte. "Die Anlage ist kaputt", bittet ein Bediensteter den Besuch unter das Absperrband hindurchzuschlüpfen. Personalausweis und Handy, die stets an der Pforte abgegeben werden mussten, können nun in der Tasche bleiben. All dies lässt keinen Zweifel daran: Das zum 31. Dezember beschlossene Ende der Naumburger Haftanstalt, die als Außenstelle der Justizvollzugsanstalt (JVA) Volkstedt geführt wird, hat längst begonnen.
"Wir haben die Auflage, die Anstalt am 1. Oktober besenrein an das Bau- und Liegenschaftsmanagement zu übergeben", erzählte gestern Jürgen Wagner, Leiter der JVA Volkstedt, der auch für das Naumburger Gefängnis verantwortlich ist, auf dem Weg zum Verwaltungsgebäude. Auf dem kahlen Vorplatz stehen halb aufgebaute Festzelte. "Dort wollen wir morgen die langjährige gute Zusammenarbeit mit den Bediensteten feiern", erklärte er kurz vor einem historischen Moment. Denn wenig später fuhr zum letzten Mal der Gefangenen-Bus auf das hintere, noch immer abgeschlossene Gelände. Mit Reisetaschen und einer Grünpflanze in der Hand nahmen die letzten fünf Insassen in den Ein- und Zweimannzellen des Fahrzeuges Platz. Ihr Ziel: die JVA Halle.
Damit wurden seit dem 7. März alle 130 Gefangenen in die JVA Volkstedt, Halle und Dessau verlegt. Um Platz zu schaffen wurden 35, die in Volkstedt einsaßen, wiederum in andere JVA gebracht. Längst verwaist ist die 26 Betten zählende Krankenstation. "Die Patienten wurden bis Anfang Mai in die JVA Halle oder Burg verlegt", so Wagner. Parallel dazu wechselte auch der überwiegende Teil der 80 Strafvollzugsbeamten in andere Einrichtungen. Für sie ging es nach Burg, Halle und Raßnitz. "Wir haben Personalgespräche geführt, zuvor konnten die Bediensteten zwei Wünsche äußern, denen wir weitestgehend gefolgt sind", sagte der Leiter. Drei Bedienstete werden in den Ruhestand gehen.
Für die zehn zurückgebliebenen Bediensteten und sieben Männer, die ihre Strafe im offenen Vollzug verbüßen, gibt es viel zu tun. Jetzt geht es ans finale Ausräumen, das in den ersten Hafträumen und auf der Krankenstation begonnen hat.
Während die Telefonvermittlung für die Naumburger Justizbehörden, die über die JVA lief, ins Oberlandesgericht (OLG) verlegt wird, muss alles andere mit unbestimmtem Ziel raus: Dienstzimmerinventar, die Industriewaschmaschinen und -trockner, Fernseher, Küchenutensilien, ein Traktor, ein Rasenmäher und mehr. Die anderen Anstalten wurden informiert, dass sich Sachen raussuchen können. Der Rest kann an die Jugendhilfe gehen, an Hilfsvereine oder wer auch immer Bedarf anmeldet. Die 250 Betten landen wohl, wie auch die gut 15 Jahre alten Stühle und Tische aus den Hafträumen, beim Schrotthändler. "Alles muss registriert werden, jeder Stuhl und jedes Bett, das verschrottet wird", so Wagner. Das Gemälde "Kain und Abel", das im Verwaltungsgebäude hängt, bot er dem OLG an. Die mehrere hundert Meter Gefangenen-, Archiv- und Krankenakten werden sortiert und verteilt. Das Gros kommt in die JVA Volkstest. Was mit der Medizintechnik wird, ist ungewiss. Diese reicht vom modernen Zahnarztstuhl samt Röntgengerät, neuester Augenarzttechnik bis zum Operationstisch. Mit dem JVA-Aus sind auch die weit gereiften Pläne vom Tisch, im Saale-Unstrut-Klinikum eine bewachte Krankenstation einzurichten (wir berichteten). Zu Ende geht die Kooperation mit dem Klinikum und die Zusammenarbeit mit zwölf Fachärzten, die die Gefangenen versorgten. "Das war eine gut eingespielte Sache. Die Ärzte waren sehr zuverlässig, das war eine historisch gewachsene Sache, was woanders erst einmal wachsen muss", so Wagner. Er erinnerte daran, dass in Naumburg die einzige Gefangenen-Krankenstation in Sachsen-Anhalt eingerichtet war. "Das tut richtig weh", so Wagner dazu.
Ein Einschnitt bedeutet das JVA-Aus für verschiedene Unternehmen. So gab es 22 Firmen, die die JVA mit Lebensmitteln versorgt haben. "Heute wurde in der Küche zum letzten Mal gekocht", so Wagner. Die Männer des offenen Vollzugs werden bis zu ihrer Verlegung durch die Küche des Alexa Seniorenheims versorgt. 24 weitere Firmen hatten sich um die Arbeitstherapien gekümmert oder Dienstleistungen übernommen. Eine letzte Dienstleistung könnte noch einmal benötigt werden: Die Reparatur des schwere Eisentores. Bis dahin wird es für die Nacht von den Strafvollzugsbeamten zugeschoben.