Hintergrund Hintergrund: Mit Beginn des Bauernkrieges ging Luther auf Distanz

memleben/FREYBURG - Schon vorm großen Gedenkjahr zum 500. Jahrestag der Reformation im Jahr 2017 hat in Memleben Luthers früherer und sehr viel radikalerer Anhänger Thomas Müntzer Posten bezogen. Im vergangenen Herbst hatte der Gemeinderat den Beschluss gefasst, dessen Denkmal an der Thomas-Müntzer-Straße auf einer Grünfläche gegenüber dem Kloster wieder aufzustellen. Seinen ursprünglichen Platz hatte es vorm Verwaltungsgebäude des einstigen Volkseigenen Gutes in Memleben, das den Namen Müntzers trug.
Auftragswerk des Volksgutes
Als das Volksgut nach 1990 abgewickelt und das Gelände mit den Verwaltungsbaracken verkauft werden sollte, verschwand - von vielen unbemerkt - das Denkmal. Memlebener hatten es sichergestellt, heißt es. Sie hätten verhindern wollen, dass es im Zusammenhang mit dem zu erwartenden Abriss abtransportiert, gar zerstört wird. „Das wäre doch zerkloppt worden“, ist sich Horst Müller, Gemeinderat und stellvertretender Bürgermeister der Gemeinde Kaiserpfalz, sicher. Man habe schon länger die Absicht gehabt, es wieder aufzustellen, das aber nicht ohne den Gemeinderat machen wollen. Frühere Gemeinderäte hätten den Müntzer gerettet, sagt man im Dorf. Artur Spengler, zu DDR-Zeiten Direktor des Volksgutes, spricht von „verantwortungsbewussten, engagierten ehemaligen Belegschaftsmitgliedern“.
Das Denkmal stammt vom Freyburger Steinmetz und Bildhauer Harald Eckert, der vor zwei Jahren verstorben ist. In Auftrag gegeben worden war es vom Volksgut Memleben. Das hatte Müntzers Namen laut Spengler 1975 verliehen bekommen, im Zusammenhang mit dem 450. Jahrestag des Deutschen Bauernkrieges. In der DDR hatte man der „frühbürgerlichen Revolution“ 1975 ein offizielles Gedenkjahr gewidmet.
„Omnia sunt communia“ (Alle Dinge sollen gemeinsam sein) steht auf der einen Seite des Sockels, auf der anderen in freier Übersetzung „Alles gehört allen“. Ein Satz Müntzers, mit dem dieser die Hoheit des Volkes zum Ausdruck habe bringen wollen, sagt der einstige VEG-Direktor.
Wer sich an gewisse Formen des Eigentümerbewusstseins in den Betrieben der sozialistischen Wirtschaft und Landwirtschaft erinnert, kann vermuten, dass Spengler die pointierte Übersetzung des Müntzer-Satzes Kopfschmerzen bereitet haben dürfte. Eckert hat den Sockel in Form eines Pflugschars gestaltet. Das hat man in der DDR durchaus auch als Anspielung auf den Bibelspruch „Schwerter zu Pflugscharen“ verstehen können. „Das hatten wir beabsichtigt“, sagt Christel Eckert, die Witwe des Bildhauers. Das Müntzer-Denkmal habe ihnen damals in der DDR gewissermaßen die Existenz gerettet. Man habe kurz davor gestanden, schließen zu müssen, weil Bildhauerei den Planwirtschaftlern nicht notwendig schien.
Da Müntzer aber ins Konzept offizieller Erbepflege gepasst hatte und zudem bald ein Landwirtschaftsbetrieb aus Frauenprießnitz (Saale-Holzlandkreis) einen weiteren Müntzer bestellt hatte, gab es ein Umdenken bei den Oberen, wohl auch des Bedarfs an Steinmetzhandwerk wegen. „Dass das Denkmal wieder aufgestellt wurde, freut mich sehr“, sagt Christel Eckert. Spengler, der einstige VEG Direktor, macht aufmerksam, dass das ZDF in seiner Reihe „Die Deutschen“ dem Theologen Thomas Müntzer eine Sendung gewidmet hatte. Müntzer hatte noch vor Luther in der Kirche Gottesdienste in deutscher Sprache eingeführt.
Müntzer bekommt Rolle im Stück
In Memleben selbst finden es viele gut, dass das Denkmal wieder aufgestellt wurde. Auch Karin Bendix vom Heimatverein. Im Stück, das die Laienspielgruppe zum traditionellen Ablassfest in Memleben aufführen wird, werde man auf Müntzer Bezug nehmen, verrät sie schon mal. Folgt man Artur Spengler, hat der Reformator und Revolutionär auch über die Namensverleihung hinaus Bezug zu Memleben: „Es ist erwiesen, dass viele Memlebener Bauern 1525 die Predigten von Thomas Müntzer im nahe gelegenen Allstedt gehört haben.“ In den Kulturgruppen des einstigen Memlebener Volksgutes, so erinnert sich Spengler, ist damals in Zusammenarbeit mit dem Eisleber Theater eine Kantate zum Bauernkrieg einstudiert und aufgeführt worden. In dieser ging es um den Memlebener Bauern Volkmar Kroll, der wegen seiner Anhängerschaft zu Thomas Müntzer verfolgt worden war. So gibt es in Memleben außer einer Thomas-Müntzer-Straße eben auch eine Volkmar-Kroll-Straße.