Hintergrund Hintergrund: Hilfe willkommen

Bad Kösen - Donnerstag, 16.30 Uhr: In der ersten Etage des einstigen Rathauses von Bad Kösen geht’s turbulent zu. Wo früher Stadtbedienstete Akten wälzten, drängen sich zwischen Regalen und an gut sortierten Wühltischen Männer, Frauen und Kinder. Kleiderkammer mit Verkauf statt Büro mit Kaffeeduft. Die erste Etage ist wie ein großer Laden - und gleichsam das „Hauptquartier“ der Flüchtlingsinitiative Bad Kösen.
Jeden Donnerstag zwischen 16 und 18 Uhr kommen hierhin jene, die ein paar hundert Meter weiter in der früheren Borlachschule Unterkunft gefunden haben: derzeit 60 Syrer, überwiegend Familien, aber auch Einzelpersonen. Sie stöbern zwischen Jeans, Strümpfen und Jacken, probieren an. Passt mal etwas nicht, wird nach einer anderen Größe gefragt, im besten Falle auf Englisch, meist jedoch mit Zeichensprache.
In der „Frauenabteilung“ steht Gabriele Schlegel parat. Die 74-Jährige hat, wie sie unumwunden sagt, die Kleiderkammer gewissermaßen zum zweiten Zuhause gemacht. „Ich bin Christ und will den Flüchtlingen helfen. Hier kann ich es.“ Auch außerhalb der Laden-Öffnungszeiten ist sie im Haus zu finden, nimmt gut erhaltene Kleidungsstücke an, die Bad Kösener und andere bringen, begutachtet und sortiert ein, um es dann jeden Donnerstagnachmittag herauszugeben. „Das funktioniert ganz gut. Es gibt keinen Stress zwischen oder mit den Leuten. Wir verständigen uns mit Händen und Füßen“, sagt die Rentnerin. Aktuell freilich sind warme Sachen gefragt und dank der bis unter die Decke gefüllten Regale auch gut vorrätig. Doch Frau Schlegel weiß: „Mit irgend welchem Zeug, das vielleicht vor 30 Jahren getragen wurde, braucht man nicht kommen. Die Flüchtlinge sind schon sehr modebewusst.“
Kostenlos ist die Ware bei alledem nicht - 50 Cent sind in der Regel zu berappen. Geld, das wiederum in die Flüchtlingshilfe investiert wird. Dass das die Kosten nicht deckt, lässt sich unschwer vorstellen. Auch, wenn vieles nicht aufzurechnen ist - von der Organisation über Transport von Mobiliar bis hin zu unzähligen Kleinigkeiten. Beispielsweise Fahrradbeleuchtung. Holger Fritzsche, Ortsbürgermeister und vom ersten Tag an in der Flüchtlingsinitiative am Ball: „Die haben zwar alle Fahrräder, aber daran keine Lampen. Oft genug mangelt’s auch an Radschläuchen.“ Nicht zu vergessen diverse Nebenkosten im Gebäude, so auch für die Reinigung.
Derweil sorgt die Mitglieder der Initiative - 60 sind es aktuell -, dass die Flüchtlingsfluktuation in Bad Kösen groß ist, die Borlachschule als Zwischenstation gilt und Wohnungen gesucht werden. Vom Prinzip her richtig, sagt Axel Krunig, der den Hut aufhat, aber: „Die Koordination beim Kreis hat bisher so funktioniert, das die meisten Flüchtlinge an andere Orte kamen, obwohl es in der Stadt ordentliche Wohnungsangebote gibt. Das ist ein Problem, denn die Leute sind hier sozialisiert, haben Kontakte.“ Dem stimmt auch Detlef Kiehl zu: „Der Kreis muss uns als Initiative in seine Entscheidungen einbinden. Sowohl, wenn neue Flüchtlinge nach Bad Kösen kommen sollen, als auch in der Wohnungssuche. Wir sind vor Ort und wissen, was geht und was sinnvoll ist.“
Die in Trägerschaft der Kirchengemeinde agierende Flüchtlingsinitiative in Bad Kösen ist straff organisiert, hat mehrere Arbeitsgruppen gebildet: Gesundheit, Arbeit, psychologische und ethnische Betreuung unter anderem. Oder Bildung. Einen Part, den Anja Milsch bestreitet. Immer sonnabendmittags gibt sie im Spieleraum der Unterkunft Flüchtlingskindern - 15 sind es derzeit im Alter von zwei bis 14 Jahren - Unterricht in Deutsch. Auf die simple Art und Weise. „Ich zeige beispielsweise Farben und sage ihnen das deutsche Wort dazu. Ja, und sie es mir auf Arabisch.“ Eine Erstversorgung in deutscher Sprache - nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Holger Fritzsche macht indes keinen Hehl daraus, dass die Initiative in Bad Kösen in weiten Bereichen an ihre Grenzen stößt. „Die Freizeit- oder ganz alltägliche Betreuung, beispielsweise ein Weg zum Arzt oder einer Behörde, sind kaum abzusichern. Wir wissen nicht, wohin mit gespendeten Möbeln, die für die Erstausstattung von Familien in neuen Wohnungen gut gebraucht werden können“, so Fritzsche. Vor Kurzem beispielsweise habe das Hotel „Villa Ilske“ drei komplette Hotelzimmereinrichtungen übergeben, die man nur provisorisch habe unterbringen können. Fritzsche: „Es mangelt in jeder Hinsicht an Kapazitäten.“ Pläne für Neues gibt es dennoch oder gerade deswegen. Unter anderem für ein Begegnungscafé im Erdgeschoss.