Hingucker: Saurer in Postgelb

NAUMBURG. - "Das ist der blanke Wahnsinn." Während die einen damit die betagten, auf Hochglanz polierten Karossen auf der Vogelwiese meinten, kam der Satz Klaus Engel aus einem anderen Grund über die Lippen. Der Vorsitzende der Oldtimerfreunde Naumburg / Saale und seine Mitstreiter wussten nicht mehr wohin mit den Oldtimern, die den ganzen Sonnabend über die Naumburger Vogelwiese ansteuerten. Die Anmeldeformulare waren Engel beizeiten ausgegangen. 200 Fahrzeuge - über den Daumen gepeilt - konnten zum 4. Oldtimertreffen, zu dem Engels Verein eingeladen hatte, bestaunt werden.
Nicht nur Zweiräder, Pkw, Traktoren, Lkw und die rund 30 Teilehändler, die auch mit Literatur wie "Wie helfe ich mir selber - MZ-Motorräder" aufwarteten, drängten sich dicht an dicht auf dem Ausstellungspflaster. Auch an Gästen mangelte es nicht. Deren Hälse wurden einmal mehr länger, als ein gelber Postbus samt kofferbestücktem Anhänger Station machte.
Auf den ersten Blick sah es so aus, als ob das betagte Gefährt aus England stammte. Immerhin saß der Fahrer rechts. Aber weit gefehlt. Der Saurer FBW mit seinem Glasdach wurde 1955 in der Schweiz gebaut. "Er ist über die Schweizer Alpenpässe gezuckelt insgesamt rund 500 000 Kilometer", erzählte Besitzer und Omnibusunternehmer Steffen Köber. Um auf den schmalen Schotterstraßen mit ihren linksseitigen Abhängen so weit wie möglich rechts fahren zu können, wurde das Lenkrad kurzerhand auf der rechten Seite eingebaut. So habe der Fahrer besser sehen können, wie dicht er den Postbus am Berg entlang steuern kann, erklärte der 45-Jährige. Lange habe er nach einem Oldtimerbus für Nostalgie- oder Hochzeitsfahrten gesucht. In der Schweiz wurde der Mann aus Thalbürgel vor fünf Jahren fündig. Die lange Schnauze des Busses habe ihm sofort gefallen. "Und der Bus wird mit Pressluft aus dem Kessel da angelassen. Dieser wird während der Fahrt wieder aufgepumpt", erklärte der 15-jährige Sohn Andre fachkundig. Den Bus mit seinen 28 Sitzplätzen haben sie wieder instand gesetzt und die Karosse hergerichtet. Drei Jahre hat das gebraucht.
Andere Hingucker gab es zur Genüge: ein Aero A-30-Sport, das das Aero-Werk in Prag 1935 verließt; ein Trumpf-Junior des Baujahres 1937; ein BMW Dixi DA 4, der nur von 1929 bis 1932 vom Band der Eisenacher Wartburgwerke rollte, oder ein Ford A Roadster aus dem Jahr 1928. Autos, die zu DDR-Zeiten das Straßenbild bestimmten, fehlten nicht.
Wie ein Zweitakt-Motor funktioniert, erklärte Karl Molter, für die Technik im Oldtimerfreunde-Vorstand zuständig, an mitgebrachten Funktionsmodellen. "Die jungen Leute wissen doch nicht mehr, wie so etwas funktioniert", meinte er. Wissenswerte Einblicke gab er auch an den Modellen von Viertakt-Motoren, an jenem eines Schaltgetriebes und an einem einer Trockenscheibenkupplung. Ein Vereinsdomizil samt kleiner Werkstatt, in der sie mit ihrem Vereinsnachwuchs Technik beim Auseinanderschrauben studieren können, ist ein eher noch geheimer Wunsch, den die Naumburger Oldtimerfreunde hegen.
Dass sie erreichen können, wovon sie nur zu träumen wagen, zeigte ihnen ihr viertes Oldtimertreffen. Das hat sich in Windeseile offensichtlich zu einer festen Größe in der Oldtimerszene entwickelt. Im nächsten Jahr, hält Engels schon jetzt fest, brauche es für das Treffen ein paar Quadratmeter mehr Ausstellungsfläche.