Theater Naumburg probt für Spielzeitstart Grusel mit Ansage im Ratskellersaal
Für das Theater Naumburg schrieb Martin Pfaff eine Dracula-Bühnenfassung. Derzeit probt der freischaffende Regisseur mit drei Schauspielern im Ratskellersaal.

Naumburg - Mitte des 19. Jahrhunderts war die Blütezeit der Schauerromane, die seit Ende des 18. Jahrhunderts in die Bücherregale drängten. Werke wie Horace Walpoles „Das Schloss von Otranto“, Matthew Gregory Lewis’ „Der Mönch“ oder Ann Radcliffes „Die Geheimnisse von Udolpho“ standen damals hoch im Kurs. Einen berühmten Vertreter dieses Genres bringt das Theater Naumburg zur Spielzeiteröffnung auf die Bühne: Bram Stokers 1897 veröffentlichten Roman „Dracula“. Für eine Bühnenfassung bändigte Martin Pfaff die fast 600 Seiten füllende Geschichte. Heraus kam ein fast anderthalbstündiges Schauspiel - eine „kulinarische“ Stückdauer, wie er findet -, das er derzeit im Ratskellersaal für das Theater Naumburg inszeniert. Und zwar so, dass das Publikum, wie er hofft, „Spaß und etwas zu gucken hat“ und „auch mal berührt und nachdenklich wird“.
Ursprünglich stand statt „Dracula“ eine Komödie auf dem Spielplan. Doch mit den aktuellen Auflagen für Schauspieler wie Abstand halten, war eine Inszenierung unmöglich geworden. Eine Alternative musste her. Die fand Pfaff zufällig in seinem Bücherregal, dem er sich intensiv zuwandte, als er während des Lockdown als freier Regisseur zum Nichtstun verdammt war. Er las Stokers Vampirgeschichte und griff dann selbst zur Feder, um den Schauerroman für die Bühne umzuschreiben. Doch nicht allein nach einer Kurzfassung stand ihm dabei der Sinn, zumal der gekürzte Stoff immer noch zu lang fürs Theater gewesen wäre. Er ordnete einiges neu, ließ weg und wartet bei alledem mit Überraschungen auf.

So verortet Pfaff die an mehreren Schauplätzen spielende Handlung allein in Draculas Schloss. Der Ratskellersaal böte die passende Atmosphäre samt Gruselcharme, in dem die Zuschauer auf Abstand platziert werden und sich so allein auch „schön gruseln dürfen“. Stark reduziert ist ebenso die Anzahl der Figuren. In Pfaffs Version tauchen neben Graf Dracula und dem Londoner Rechtsanwalt Jonathan Harker nur noch dessen Verlobte, Professor van Helsing, drei Hexen und ein Dörfler auf. Gespielt werden diese von Selena Bakalios, Pia Koch und - als temporärer Neuzugang im Ensemble - Enrico Riethmüller. Wer eine klassische Rollenbesetzung erwartet, hat weit gefehlt. Pfaff entschied sich, „gegen den Strich“ zu besetzen, heißt, Männerrollen Frauen zu überlassen und umgekehrt - „eben querbeet“, so Pfaff. Mit dieser offenen Form umgehe er die Realitätsfalle. Wichtig war ihm, dass drei Schauspieler auf der Bühne agieren. Ein Dreiergespann böte genügend Reibungspunkte und damit Spannung.

Zu Beginn treten alle drei - in einer Ausstattung von Anja Kreher - gemeinsam ins Rampenlicht und stellen Harker dar. Sie bilden sein Ich, aus dem sich jeder mal für eine andere zu spielende Rolle herauslöst. Dieses teils im Gleichklang agierende Dreifach-Ich ist sich nicht sicher, ob es das alles in Draculas Schloss tatsächlich erlebt oder ob alles nur ein Trauma, eine Neurose ist. „Harker wird von den Ereignissen überflutet, überfrachtet und droht davon verletzt, verformt und zum Spielball zu werden. Er ist von den Impulsen gebeutelt und weiß nicht, wie er das alles verarbeiten, geschweige denn mit Hoffnung tragen soll“, umreißt Pfaff das Geschehen, dem Parallelen zum Hier und Heute innewohnen. Der Autor und Regisseur Pfaff umschreibt es so: „Es ist ein passendes Melodram für die heutige Zeit. Gruselboulevard mit Massage.“
Bei aller Gruselei wird dem Zuschauer keine Pause gegönnt - der Corona-Maßnahmen wegen. Aber vor und nach der Aufführung wartet im Foyer des Saals ein gastronomisches Angebot aufs Publikum. Denn ein Theaterbesuch soll nicht länger, so Pfaffs Wunsch, dem „Schlucken einer homöopathischen Dosis Theater“ gleichen.
Unterstützung erfährt das Theaterteam wieder vom Verein Naumburger Theater- und Kinofreunde, der bereits die Karten für eine Vorstellung komplett für den Weiterverkauf aufgekauft hat, teilt Andrea Scholz mit, die zur jüngsten Mitgliederversammlung erneut zur Vereinsvorsitzenden gewählt wurde. Auch in den kommenden drei Jahren gehören Dietmar Schwenke und Reinhard Schubert wieder dem dreiköpfigen Vorstand an. Während der jüngsten Versammlung einigte sich der Verein darauf, falls es die Hygienemaßnahmen gestatten, zur Dracula-Premiere für ein Buffet zu sorgen.
Bevor Dracula am 3. September ab 19.30 Uhr erstmals die Bühne des Naumburger Ratskellersaals betreten wird, lädt das Theaterteam zu der Veranstaltung „Theatermenschen im Gespräch“ ein. Ab 17 Uhr erfahren die Gäste Interessantes über die Produktion der Naumburger Inszenierung. Karten für die Dracula-Aufführungen, Termine unter www.theater-naumburg.de, gibt es in der Tourist-Information Naumburg, Markt 6, Telefon 03445/273480.