Wie sich der Handel in der Naumburger Innenstadt wandelt Ciao, ciao Schaufenster?
Das Zentrum der Domstadt verliert einen Blumen- und einen Zeitschriftenladen, vielleicht auch ein Sportgeschäft: Dafür gibt es bald Donuts und noch mal Bubble Tea.

Naumburg - Will man etwas über den Zustand der Naumburger Innenstadt erfahren, gibt es kaum einen besseren Ort als die Ecke Marienstraße/Hirschpassage. In Letzterer wächst das Unkraut, und man hat sich daran gewöhnt, dass alle Schaufenster leer sind. In der Kurve stehend, hat man ein ehemaliges Reisebüro im Rücken, das voriges Jahr an den Holzmarkt gezogen ist. Das Geschäft ist seitdem verwaist.
Gegenüber fallen die großen, frisch sanierten, aber mangels Interessenten noch nicht vermieteten Gewerbeflächen auf, in denen vor einigen Jahren noch ein Raiffeisenmarkt mit Saatgut und Gartenscheren handelte. Nebenan bildet der Whisky-Laden von Uwe Wendelmuth ein hübsches Lebenszeichen. Von solchen gibt es - über die Stadt verteilt - zum Glück einige. Gut zu tun ist im Fahrradladen, doch Lieferschwierigkeiten sind - nicht nur in dieser Branche - ein Riesenproblem. Ein paar Meter weiter trübt ein ehemaliges Computer-Geschäft die Stimmung. Pappe versperrt den Blick ins Innere. Und schon fast am Markt angekommen, sieht man den Zeitschriftenladen sowie den Blumenhandel, deren Schließungen bereits angekündigt sind.
Der Blick führt bis zum Hotel „Stadt Aachen“, das „aus Personalmangel“, wie es heißt, noch immer geschlossen ist - und das, wo doch gerade viele Touristen verzweifelt nach Zimmern und Restaurant-Tischen gesucht haben. Wenn man wollte, könnte man die Gedankenreise noch zum „Ratskeller“ und zur ehemaligen „Rossmann“-Filiale fortsetzen, beide derzeit ebenfalls verwaist.
Corona Katalysator einer viel früher eingesetzten Entwicklung
Für manche der genannten Häuser gibt es Ideen und Interessenten. Zu sagen, die Naumburger Innenstadt stirbt, wäre also übertrieben, doch sie nur als „im Wandel“ zu bezeichnen, wird dem Problem nicht gerecht. Und auch nicht, alles auf die Pandemie zu schieben, denn viele Händler, mit denen Tageblatt/MZ in den vergangenen Tagen gesprochen hat, sehen Corona nur als Katalysator einer viel früher eingesetzten Entwicklung. Der Tenor lautet: Wir sind die Verlierer, die Supermärkte mit ihrem Riesensortiment sowie die Online-Konzerne sind die Gewinner. Doch schauen wir uns nun ein paar „im Wandel“ befindliche Geschäfte der Naumburger Innenstadt an.
Blumenhaus Meyenberg: Ein Urgestein, der alles und jeden in der Innenstadt kennt, ist Werner Meyenberg. Seit über 30 Jahren handelt er in der Marienstraße mit Blumen und Gemüse, an mehreren Standorten zunächst, seit etlichen Jahren nur noch im Eckhaus zur Mariengasse, wo man Schnittblumen, Grabgestecke, Schnaps und Blumenkohl im bunten Mix erwerben kann. Meyenberg ist mobil, fährt Blumen und Grabschmuck aus wie kein Zweiter in Naumburg. Doch ab Ende Februar werden das andere Firmen machen müssen, denn dann geht Meyenberg, lange geplant, in den Ruhestand. Seine zwei Angestellten, die „Kerstins“, beide ebenfalls über 60, haben sich darauf einrichten können, sagt Meyenberg. Was aus der Ladenfläche wird? Andreas Herbig von der städtischen GWG-Wohnungsgesellschaft, der Eigentümerin des Eckhauses, sagt: „Wir wollen sie sanieren und dann wieder vermieten. Es gibt auch schon Anfragen.“ Dass Interessenten vorhanden sind, ist insofern erfreulich, als dass Herbig und die GWG diese andernorts vermissen. So habe man derzeit schlicht keine Bewerber für die 400 Quadratmeter in der eingangs erwähnten, frisch sanierten Marienstraße 30/32 gegenüber der Hirschpassage. Und der gleiche traurige Fakt treffe auf die ehemalige Commerzbank-Filiale in der Jakobsstraße 7 zu, die man deshalb guten Gewissens und für wenig Geld übergangsweise dem Roten Kreuz für ein Corona-Testzentrum anbieten konnte. Immerhin: Die Verhandlungen über eine neue Verpachtung des „Ratskellers“ seien auf einem guten Weg.
Nachmieter für Lotto-Laden gesucht
Lotto-/Zeitschriften-Laden: Während Werner Meyenberg kurz vor der Rente steht, hat Margit Schibath diese bereits erreicht. Dennoch verkauft sie in der Marienstraße 39 noch täglich Zeitungen und Lottoscheine, wenn auch nur bis kurz nach Mittag. Bis Ende März, dann ist Schluss, sagt Sohn Marcus Schibath, dem der Laden gehört. Warum? „Es lohnt einfach nicht mehr. Zu wenig Kunden in der Innenstadt und damit zu wenig Umsatz“, sagt er. Eine Angestellte habe er die Stunden reduzieren müssen, sie wechselte in den Schreibwarenladen in der Engelgasse. Schibath selbst steht schon lange nicht mehr im Laden. Er hat eine Baufirma gegründet. Da ist ganz anders wirtschaften in diesen Zeiten. Wie vom Mit-Eigentümer der Marienstraße 39, Frank-Thomas Suppee, der im Haus Wohnungen, ein Büro und eine Ferienwohnung vermietet, zu erfahren war, wird nun ein Nachmieter für den Lottoladen gesucht. Womöglich ergibt sich irgendwann eine Nutzung mit der benachbarten Nummer 38. Diese ist in schlechtem Zustand, wechselt gerade den Besitzer, soll saniert und einer touristischen Nutzung zugeführt werden. Es gibt sie also noch, die guten Nachrichten.
Intersport Höss: Wegen Urlaubs und Krankheit ist das große Sportgeschäft am Boulevard derzeit geschlossen, soll aber kommende Woche womöglich wieder öffnen. Doch die Naumburger Gerüchteküche ist sich sicher: Ende des Jahres ist dort endgültig dicht. Inhaber Christian Höss konzentriere sich dann nur noch auf den Online-Handel mit Sportartikeln. Eine Aussage, die Höss auf Anfrage von Tageblatt/MZ aber nicht bestätigen will. „Es steht gar nichts fest. Alles kann auch anders kommen. Die komplizierte Situation im Handel lässt ja derzeit überhaupt keine langfristigen Aussagen zu“, sagt er.

Monkey Donuts“: Sorgen um den Handel in der Jakobsstraße hat auch Suhail Siddique. Also fasst der aus Pakistan stammende Mann kräftig an, um ein neues Kundenklientel zu gewinnen. Seit 14 Jahren betreibt er seinen „Ein-Euro-Laden“. Und als Manuela Fritsche mit ihrer „Jacke-wie-Hose“-Boutique in die Engelgasse wechselte, sicherte er sich die Fläche gleich nebenan. Dort wird nun fleißig gewerkelt, um am 25. Oktober zu eröffnen. Eine Filiale der Kette „Monkey Donuts“ zieht ein, in der Siddiques Ehefrau Kiran Suhail neben frisch zubereiteten Donuts auch Bubble Tea und Kaffee anbieten will, alles zum Mitnehmen. Dass gerade erst ein Bubble-Tea-Café im ehemaligen „Bocks“ am Steinweg eröffnet hat, sieht Suhail Siddique gelassen. „An der Nachfrage dort sieht man ja, wie groß der Trend bei den jungen Leuten gerade ist. Konkurrenz belebt das Geschäft.“