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Lesung im Lichthof Freyburg erinnert an Autorin Elisabeth von Heyking Briefe gegen das Vergessen

Schauspielerin Selena Bakalios liest aus dem 1903 erschienenen Briefroman „Briefe, die ihn nicht erreichten“. Ein Beststeller der damaligen Zeit.

Von Constanze Matthes 05.11.2021, 09:40
Schauspielerin Selena Bakalios liest im Lichthof aus „Briefe, die ihn nicht erreichten“.  Im Hintergrund: Autorin  Elisabeth von Heyking als Gemälde.
Schauspielerin Selena Bakalios liest im Lichthof aus „Briefe, die ihn nicht erreichten“. Im Hintergrund: Autorin Elisabeth von Heyking als Gemälde. (Foto: C. Matthes)

Freyburg - 1903 gab es in Deutschland noch keine Bestsellerliste. Mit ihrem in jenem Jahr erschienenen Roman „Briefe, die ihn nicht erreichten“ hätte Elisabeth von Heyking (1861 - 1925) vermutlich auf einer solchen gestanden. Das Buch erreichte zur damaligen Zeit mehr als 100 Auflagen, wurde in mehreren Sprachen übersetzt. Heute ist die Autorin, die später weitere Romane sowie Erzählungen und Novellen veröffentlichte, nahezu vergessen.

Eine Lesung im Lichthof der Rotkäppchen-Sektkellerei am Montagabend im Rahmen der Landesliteraturtage erinnerte an die Schriftstellerin. Auf der großen Bühne hatten Selena Bakalios, Schauspielerin am Naumburger Theater, sowie Karla von Lingelsheim-Seibicke um einen kleinen Tisch Platz genommen. Die stellvertretende Vorsitzende des Vereins der Freunde und Förderer der Vereinigten Domstifter gab interessante Einblicke in die Biografie der Autorin und den historischen Hintergrund. „Der Roman war einer der Erfolge zur damaligen Zeit. Zuerst anonym erschienen, wurde er erst später unter ihrem Namen herausgegeben“, so Karla von Lingelsheim-Seibicke. Veröffentlicht wurde das Werk im in Berlin ansässigen Gebrüder Paetel Verlag, der bis heute bekannte Autoren wie Theodor Storm oder Marie von Ebner-Eschenbach sowie die Literaturzeitschrift „Deutsche Rundschau“ herausgab.

Der Roman war einer der Erfolge zur damaligen Zeit. Zuerst anonym erschienen, wurde er erst später unter ihrem Namen herausgegeben.

Karla von Lingelsheim-Seibicke

„Briefe, die ihn nicht erreichten“ ist ein Briefroman. Im Mittelpunkt steht eine Frau ohne Namen, die ihre zweite Heimat China verlassen hat und ihrem Geliebten aus mehreren Ländern, so aus den USA, Kanada und Deutschland, schreibt. Sie ahnt zu jener Zeit nicht, dass er ihre Zeilen niemals lesen wird. Ein Nachwort, in dem die Schwester der Frau zu Wort kommt, gibt Auskunft über das Schicksal beider. Einer der wohl berührendsten Momente der Veranstaltung, in der Selena Bakalios Passagen aus mehreren Abschnitten des Buches - im Übrigen aus einer historischen Ausgabe von 1903 - vorlas. Bereits im Sommer hatte die Schauspielerin begonnen, sich auf den Auftritt vorzubereiten. „Ich bin die Texte Satz für Satz durchgegangen. Ich liebe alte Bücher, sie erzählen Geschichte“, sagte Bakalios in einem Gespräch nach der Lesung. Vor allem habe sie neben der Sprache und bis heute aktuelle Themen im Buch die Beziehung zwischen den Protagonisten fasziniert. „In den Briefen kommen die Emotionen besonders zum Tragen“, so die Schauspielerin, die zwei Tage später im Weißenfelser Fürstenhaus aus Texten der Schriftstellerin Louise von Francois (1817 - 1893) vorlas und privat vor allem Lyrik schätzt.

Elisabeth von Heyking
Elisabeth von Heyking
(Foto: Wikipedia)

Beide Veranstaltungen finden in einer Zeit statt, in der die Debatte um die Sichtbarkeit von Frauen im Literaturbetrieb wieder aufgenommen und aktuell rege in den Medien geführt wird. Das Schloss im thüringischen Crossen an der Elster, das von Heyking erbte und in dem sie mit ihrem Mann, dem preußischen Diplomaten Baron Edmund von Heyking, lebte, erwacht aus einem Dornröschenschlaf. Nach Jahren des Verfalls soll es nun in den Händen der Stadt Köstritz saniert werden. Auch das Erinnern an das literarische Wirken der Schriftstellerin wäre wünschenswert.

Weitere Informationen zu den Landesliteraturtagen: https://www.stiftsbibliothek-zeitz.de/landesliteraturtage-2021/