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Zwangspause auf Festwiese

Von HANS-ERDMANN GRINGER 02.01.2009, 18:50

KÖTZSCHAU/MZ. - Der gebürtige Osterwiecker hat derzeit in Kötzschau mit seinem kleinen Zirkus "Elano" Station gemacht. Notgedrungen, wie er sagt, der Kälteeinbruch Mitte November habe ihm einen Strich durch die Rechnung gemacht. "Elano" war in Wallendorf und Günthersdorf aufgetreten und wollte eigentlich weiter über Markranstädt bis nach Erfurt ziehen. "Doch jetzt geht gar nichts mehr. Wir müssen hier jetzt wohl überwintern", so Rojan. Wir, das sind zwölf Menschen und insgesamt 35 Tiere: Pferde, Lamas, Ziegen, jede Menge Hunde, sogar ein Kamel ist mit dabei, um die sich der Artist mit einigen Helfern kümmert. Die Tiere stehen in Boxen im Zelt und wärmen sich gegenseitig.

Seine Lebensgefährtin Nicole Schickler (26), auch Artistin, ist auf den Ämtern in Merseburg, um Formalitäten zu klären. Die fünf Kinder im Alter von ein bis zehn Jahren, bis auf die Kleinste schon Clown, Dompteur und Nachwuchsartist, sitzen im Wohnwagen. Dessen Türschloss ist seit längerem demoliert. Rojan: "Da haben welche gedacht, sie können etwas holen". Kälte zieht in den Innenraum. Der ist Wohnzimmer, Küche und Schlafgelegenheit in einem. Der Mini-Fernseher läuft, ein kleiner Ölofen heizt ein wenig ein, ein Elektrostrahler steht daneben.

Rojan ist Artist in sechster Generation wie er sagt. Als Kind habe er schon Zirkusluft geschnuppert. Das lasse ihn nicht mehr los. In der Fensterecke stehen Bilder verstorbener Verwandter, alle lebten für und mit dem Zirkus. Der Vater war sogar Elefanten-Dompteur, wie ein Foto zeigt.

Ursprünglich arbeitete Rojan beim Zirkus Probst, bis der sich in den 90ern von ihm trennte. "Die wollten billigere Artisten aus Tschechien", sagt er. Da hat er den eigenen Zirkus gegründet und zieht seither jedes Jahr von März bis Oktober kreuz und quer durch die Lande. In Kötzschau versucht man derweil zu helfen, wo es geht. Die Festwiese hat glücklicherweise Wasser- und Stromanschluss und jetzt auch eine Adresse. Das Sozialamt des Kreises schaltete sich ein, kümmerte sich und stellte unter anderem einen Container für Abfall bereit. Bürgermeister Roger Gruhle (parteilos) vermittelte mit den Behörden und sorgte dafür, dass die Zirkusfamilie vom Eigenbetrieb rasch Hartz-IV-Leistungen erhielt und dieser auch die Betriebskosten übernahm. Er handelte eine Sondergenehmigung für einen vierteljährigen Aufenthalt in der Gemeinde Kötzschau aus. Auch das Ordnungsamt der Verwaltungsgemeinschaft Leuna-Kötzschau schaut regelmäßig vorbei. Es hatte wie das Veterinäramt bisher keine Beanstandungen.

Carlo Rojan plagen derweil neue Sorgen. "Uns fehlt das Futter für die Tiere. Wir wollen kein Geld, aber wer uns mit Stroh, Hafer, Äpfeln oder Mohrrüben unterstützen könnte, würde uns sehr weiterhelfen", sagt er. Trotz aller gegenwärtigen Probleme ist der Mann aber Optimist: "Es kommen auch wieder bessere Zeiten."

Wer helfen will, kann den Zirkus unter Telefon 0162 / 4 81 02 91 erreichen.