Zoff in der Idylle Zoff in der Idylle: Nach Baubeginn der L178n befürchten Anwohner mehr Lärm

Merseburg - Marco Stein lebt in einem kleinen Paradies. Am Ende des Starwegs in Merseburg-Kötzschen gibt es Natur pur. Die Vögel zwitschern, Schmetterlinge flattern über die Terrasse. Einzig die Burgenlandbahn, die einmal pro Stunde neben dem Wohnhaus vorbeirumpelt, unterbricht die Ruhe kurzzeitig. „Die nehme ich nach den vielen Jahren aber gar nicht mehr wahr“, sagt Stein und öffnet einen Hefter, der vor ihm auf dem Tisch liegt.
„Was mir nach wie vor Sorgen bereitet, ist die geplante Umgehungsstraße und der damit verbundene Lärm, dem wir dann rund um die Uhr ausgesetzt sind“, sagt er und blickt grimmig drein.
Anwohner: „Nach den Prognosen wird der Lärm bei mir wohl tagsüber bei 56 Dezibel liegen“
Gemeint ist die Landesstraße 178n. Die Südumfahrung der Straße des Friedens, die seit Jahren unter der hohen Verkehrsdichte mit hohem Lkw-Anteil leidet. Inzwischen haben die Bauarbeiten begonnen. Und mit jeder Tonne Erde, die bewegt wird, wachsen die Sorgen der künftigen Anwohner der Trasse, die - wie unter anderem Marco Stein - wohl auch nicht von einer Lärmschutzwand profitieren werden. Diese soll zwar errichtet werden, endet aber voraussichtlich auf Höhe des Grundstücks des verärgerten Kötzscheners.
„Nach den Prognosen wird der Lärm bei mir wohl tagsüber bei 56 Dezibel liegen und damit knapp unter dem zulässigen Wert“, erklärt Stein. Dieser liegt laut sachsen-anhaltischen Verkehrsministerium bei 59 Dezibel am Tag und 49 nachts. „Wir werden ja sehen, wie die Werte dann tatsächlich aussehen“, sagt Stein.
Neben ihm sind es mit Uwe Zwerenz und Harald Leuschner noch zwei weitere Betroffene, die sich Luft machen. Auch andere Nachbarn haben größte Bedenken, wie Stein betont. „Aber die glauben, dass sie ohnehin nicht erhört werden.“
Auch eher ungewiss ist, was der Protest bringt. Auch Stein fühlt sich im Stich gelassen. „Von Anfang an habe ich das Thema bei der Stadt angesprochen, mit dem Oberbürgermeister persönlich geredet“, erzählt er. Bei einem Forum, bei dem sich vor der letzten Oberbürgermeisterwahl die Kandidaten präsentierten und Fragen der Bürger beantworteten, hätte ihm OB Jens Bühligen (CDU) noch erklärt, dass er sich kümmern werde.
Ende kommenden Jahres soll die Trasse für den Verkehr freigegeben werden
„Seitdem habe ich nichts mehr von ihm gehört, ich weiß nicht, ob er das damals wirklich ernst meinte“, sagt Stein, der in der nächsten Woche zu einem Gespräch beim OB eingeladen wurde. Auch die MZ hat bei Bühligen angefragt. „Ich bin erstmal froh, dass der Bau begonnen hat, denn der Beginn eines solchen Projekts ist das Schwierigste“, sagt der Oberbürgermeister.
Er betonte, mit den betroffenen Anwohner natürlich im Gespräch zu bleiben. Eingriffsmöglichkeiten der Stadt sehe er derzeit jedoch nicht. „Aber natürlich werden wir die Lärmpegel gegenmessen und bei Überschreitungen entsprechende Nachforderungen stellen“, versprach er.
Ende kommenden Jahres soll die Trasse für den Verkehr freigegeben werden. 17,5 Millionen Euro werden in die fast drei Kilometer lange Tangente investiert. Nicht ganz so lang wird die Wand sein, die direkt betroffene Anwohner vor Lärm schützen soll. Laut Landesstraßenbaubetrieb wird die Wand 460 Meter lang und 2,75 Meter hoch sein und zudem auf einem Damm neben der Fahrbahn errichtet.
Marco Stein und seine beiden Mitstreiter werden dann genau hinhören, wie laut der Verkehr tatsächlich ist. „Wir haben unseren Einspruch gegen das Projekt nicht zurückgezogen“, sagt Stein. Es ist ein erstes Zeichen, dass man sich mit eine möglichen Ruhestörung nicht abfinden wird. (mz)