„Ich möchte eine Gemeinschaft, ein Kennenlernen“ Wie die Kleingartenanlage „Pappelallee“ seit 90 Jahren eine Oase für Merseburger ist
Die Kleingartensparte Merseburg Süd „Pappelallee“ besteht 90 Jahre. Rund 400 Mitglieder finden hier heute ihren Ruhepol im hektischen Alltag - und feiern das. Warum der Pandemie etwas Positives abgewonnen werden kann.

Merseburg/MZ - Die größte Anlage im Kreisverband der Gartenfreunde Merseburg feiert Jubiläum. Die 8,9 Hektar umfassende Kleingartensparte Merseburg Süd „Pappelallee“ mit ihren rund 220 Parzellen und aktuell 400 Mitgliedern wurde 1931 gegründet.
Jubiläums-Feier: Seit 90 Jahren eine Oase in Merseburg
Zum 90. Geburtstag gibt es am Sonnabend, 14. August, ab 10 Uhr ein Fest. Die wiederaufgehübschte Kegelanlage wird mit einem Preisturnier eingeweiht, für Kinder steht eine Hüpfburg bereit. Kinderschminken, Kutschfahrten, diverse Spielstände sowie Disco und Tanz hat der Vorstand um Maik Prall vorbereitet. Der Wirt der benachbarten „Solidarität“ sorgt für die Verpflegung. Auch der Kreisverband hilft.
Ein weiterer Programmpunkt hat mit der bewegten Vergangenheit des Geländes zu tun, das erst ein Exerzierplatz und Übungsgelände der kaiserlichen Armee war und im Ersten Weltkrieg dann ein Lager für Kriegsgefangene, die für den Bau der Leunawerke eingesetzt wurden. Studierende der Hochschule Merseburg hatten sich vor einiger Zeit intensiv mit diesem Stück Geschichte beschäftigt, die Umstände erforscht und die Thematik für eine Führung umgesetzt, die Interessierte am Sonnabend um 14 Uhr erleben können. Treffpunkt ist der Ehrenfriedhof Unter den Eichen.
Vorsitzender der Kleingartenanlage will mit Jubiläums-Feier das gesamte Vereinsleben wieder zum Leben erwecken
In der Anlage und da speziell um das Vereinsheim herum wird der Geburtstag seit Monaten intensiv vorbereitet. Die Festwiese, die keine ebene Fläche mehr war, wurde schon im Frühjahr mit Erde aufgefüllt und Rasen angesät. Vergangenes Wochenende fand extra ein Arbeitseinsatz statt. Überall wurde gemäht und Unkraut gejätet und alles für das Schmücken vorbereitet.
Maik Prall erklärt, warum das für alle Mitglieder nicht nur wegen des Jubiläums ein besonderes Fest wird: Es habe nämlich gut 30 Jahre hier gar nichts dergleichen stattgefunden. Nun möchte der Vorsitzende, der vor drei Jahren dieses Amt übernahm, gern das gesamte Vereinsleben wieder zum Leben erwecken. „Die Mitglieder sollen sich nicht nur in ihren Gärten aufhalten und nur ihre Pflichtstunden leisten. Ich möchte eine Gemeinschaft, ein Kennenlernen“, nennt er sein Ziel.
Durch Corona hat Anlage nicht mehr mit Leerstand zu kämpfen
Denn das Gesicht der Kleingartensparte hat sich mal wieder verändert. 1931 hatten sich 20 arbeitslose Familienväter zusammengetan, wollten Obst und Gemüse anbauen, um ihre Kinder satt zu bekommen. 1937 gab es dann schon 141 Gartenfreunde, und 1952 wurden 151 Mitglieder gezählt. Die kleinen Holzlauben wurden größer, ihre Wände sind heute gemauert. Die Obst- und Gemüseanpflanzungen ergänzen längst Blumen, Stauden und Rasenflächen. Als das Vereinsheim 1997 bis auf die Grundmauern durch einen Brand zerstört wurde, errichteten es die Mitglieder in Eigenleistung neu. „Gaststätte zur Pappel“ steht zwar heute noch auf dem Schild, doch eine Gaststätte gibt es hier nicht mehr.
Als Maik Prall Vorsitzender wurde, hatte die Anlage mit Leerstand zu kämpfen. Durch Corona ist das heute nicht mehr so, erzählt er. „Wenigstens etwas Positives.“ Denn in der Pandemie mit ihren Beschränkungen habe die Nachfrage geradezu einen Boom erlebt. Statt 60 freier Gärten gebe es jetzt gerade einmal acht, die zu vergeben seien, und er hoffe, dass sich dieser Trend nicht wieder umkehrt. Die Anlage sei gleichzeitig international geworden, fügt er hinzu. „Wir sind multikulti.“
Mit Schulgarten-Projekt will Kleingartenanlage mit der Zeit gehen und Jüngere anlocken
Zu den Mitgliedern zählen laut seinen Angaben zum Beispiel Iraker, Syrer, Afghanen und Polen. „Natürlich war das Miteinander anfangs manchmal schwierig. Man musste Vertrauen zueinander fassen, die anderen Mentalitäten kennenlernen.“ Es habe auch Sprachprobleme gegeben. Deshalb hänge die Vereinssatzung in den Schaukästen heute auch auf Deutsch und Arabisch aus.
Man könne viel voneinander lernen, berichtet der stellvertretende Vereinsvorsitzende Jörg Kupfer, zum Beispiel über Anbaumethoden in den zunehmend heißen und trockenen Sommern. Ganz nebenbei beobachte er auch interessiert, dass für deutsche Gärten ungewohnte Pflanzen angebaut werden wie Mais oder Pfefferminze. Und weil die ausländischen Familien nicht nur sehr hilfsbereit, sondern auch sehr gastfreundlich seien, habe er das ein oder andere Gericht oder Getränk auch schon mal probieren dürfen.
Mit der Zeit gehen, das Durchschnittsalter möglichst jung halten, für die Zukunft der Anlage sorgen, das möchte Maik Prall gern erreichen. Eine Idee dazu ist ein Schulgarten. Der soll ab nächstes Jahr an den Wochenende für jeweils ein paar Stunden für Kinder öffnen, um ihnen die Grundlagen des Gärtnerns näherzubringen. Einige Vereinsmitglieder haben sich schon bereiterklärt, dabei mitzuhelfen, sagt er.