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Sieben Medaillonscheiben zieren Vorhalle des Domes

Von HANS-ERDMANN GRINGER 19.11.2009, 17:59

MERSEBURG/MZ. - Eigentlich benötigt man ein Fernglas, um die in der Vorhalle weit oben angebrachten sieben Medaillonscheiben, die das Leben Christi darstellen, in ihrer Vielfalt wahrnehmen zu können.

Lutz Gärlich jedoch war schon ganz nah dran, kennt sie in all ihren Details und hatte sie sogar schon in seinen Händen. In einem Vortrag berichtete er am Dienstagabend im Kapitelhaus über die historischen Fenster des Merseburger Domes und ihre Restaurierung. Auch die Fenster des Naumburger Domes hat der heute 66-Jährige praktisch verinnerlicht, Stück für Stück überarbeitet.

Gärlich, gebürtiger Sachse, lernte einst Glaser. Nach Tätigkeit in der Glasschleiferei der Eltern und Meisterlehrgang übernahm er 1966 eine Glaswerkstatt in Naumburg, die schon seit Generationen bestanden hatte. Nach der Prüfung zum Kunsthandwerker wagte er sich an die Restaurierung, Neuanfertigung und Instandsetzung historischen Glases in Denkmälern wie Kirchen und Museen.

Seit Beginn des 9. Jahrhunderts sei die Glasherstellung, die viel älteren Ursprungs ist, in Europa wieder erfunden worden, zuerst in Norditalien und in Klöstern der Schweiz, betonte Gärlich. Er schilderte anschaulich, wie aus Sandquarz, Pottasche und mehr das Glas bei 1 200 Grad Celsius in den Schmelzöfen, die mit Buchenholz befeuert wurden, entsteht und durch Beigabe von Metalloxyden farbig wird. Kobalt etwa führt zu blauer Farbe, Gold und Kupferoxyde zu Rot, Silber zu Gelb und Kupfer und Eisen zu Grün.

Oftmals hätten die Meister der Glashütten ihre Kenntnisse bei der Bearbeitung des Werkstoffs, die sie durch jahrelange Erfahrung erworben hätten, mit ins Grab genommen. "Doch heute kann man durch aufwändige Analyseverfahren genau herausfinden, welches Glas wie, wann und wo einst hergestellt wurde", sagt der Experte, "denn jeder Sand ist anders." Er verwies zugleich auf jene Schadenphänomene, die Glas nach Jahrhunderten zerstören können. Neben Feuchtigkeit, Luftverschmutzung und Ablagerungen setzten auch Erschütterungen bleiverglasten Fenstern erheblich zu. So bewege sich der Erdboden am Dom allein schon durch die vorbeifließende Saale so stark, dass Risse im Bauwerk entstehen, die sich im Laufe der Zeit an der schwächsten Stelle des Hauses, am Glas, deutlich zeigen. Besonders schädlich seien zu DDR-Zeiten die

extreme Luftverschmutzung (Stichwort: saurer Regen) und überfliegende Düsenjäger mit ihren Schallwellen gewesen, unterstrich er.

Im Merseburger Dom gebe es insgesamt rund 400 Quadratmeter Glasfläche. Die Glasgeschichte des Bauwerks reiche vom 13. bis zum 20. Jahrhundert, so Gärlich. Es seien herausragende Zeugnisse der Glasmalerei. Durch Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg seien einmalige Glasfenster verloren gegangen, Reste seien noch in den Maßwerken der Langschiffe an der Südseite zu sehen, betonte er. In den späten 40er Jahren des vorigen Jahrhunderts schuf der Künstler Charles Crodel mit der Glasfirma Müller aus Quedlinburg die drei Fenster im Chor des Domes. Derzeit restauriert Gärlichs Firma "Domglas Naumburg", die inzwischen die Tochter leitet, noch Schiffsfenster an der Dom-Nordseite. Er könne nicht einfach aufhören, sagte der Experte, der seit 50 Jahren im Beruf ist. Wenn man mit der Arbeit fertig sei, der Kunde dann sage, was haben sie gemacht, man sieht ja gar nichts, dann sei es gut gewesen, beschrieb Gärlich seine Mühen um Perfektion.

Der Glasexperte verwies auch auf die derzeit im Naumburger Dom stattfindende Sonderschau zu "Glanzlichtern der Naumburger Glasmalerei", die anlässlich der 150-jährigen Tradition des Handwerks in der Stadt bis Januar gezeigt wird. Zugleich ist im Gotischen Haus in Wörlitz eine beeindruckende Glassammlung des einstigen Fürsten Franz zu sehen - mit historischem Glas aus mehreren Jahrhunderten.