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Sex im Alter Sex im Alter: Wie Alten- und Pflegeheime in der Region Merseburg mit dem Thema umgehen

Von Tina Schwarz 20.01.2017, 06:00
Sex im Internet:  Eine verführerische Blondine lockt von einer Sex-Seite.
Sex im Internet:  Eine verführerische Blondine lockt von einer Sex-Seite. imago stock&people

Merseburg - Bezahlter Sex im Pflegeheim? Die Forderung von Elisabeth Scharfenberg, pflegepolitische Sprecherin der Grünen, hat bundesweit für Aufregung gesorgt. Die Politikerin sprach sich im vergangenen Jahr für die staatliche Förderung der so genannten Sexualassistenz für pflegebedürftige und behinderte Menschen aus.

„Der Mensch bleibt Mensch, auch wenn er in einem Pflegeheim lebt. Die Bedürfnisse sind die gleichen wie vorher,“ sagt Stephanie Klee, die Vorsitzende des Bundesverbands für sexuelle Dienstleistungen. Doch bezahlter Sex in der Pflege wird vielerorts belächelt. Spielt das Thema in den Merseburger Pflegeeinrichtungen überhaupt eine Rolle?

Pflegeheim Kursana Domizil in Merseburg: Wir hatten vor ein paar Jahren mal ein Pärchen in unserem Haus

„Wir hatten vor ein paar Jahren mal ein Pärchen in unserem Haus. Aus diesem Grund haben wir angefangen, uns mit sexuellen Dienstleistungen zu beschäftigen“, erzählt eine Mitarbeiterin im Pflegeheim Kursana Domizil in Merseburg, die allerdings anonym bleiben möchte. „Wir hatten uns daraufhin die Frage gestellt, wie wir mit den körperlichen Wünschen unserer Bewohner umgehen sollen.“ Von so genannten „Berührerinnen“ hatte die Mitarbeiterin schon gehört, doch auf der Suche nach einem Ansprechpartner stieß sie auf verschlossene Türen. „Keiner konnte mir dabei so richtig weiterhelfen.“

Auch im Pflege- und Betreuungszentrum Curanum in Merseburg wird lediglich von Einzelfällen gesprochen. „Ich glaube, dass das Thema überbewertet wird“, sagt Andrea Lieschke, die Einrichtungsleiterin. Häufiger als der Wunsch nach sexueller Dienste dagegen seien Pärchen, die sich in den Einrichtungen finden. „Und einige davon haben sicherlich auch noch sexuellen Kontakt, so Lieschke weiter.

Bezahlter Sex im Pflegeheim ist allerdings kein neues Thema

Bezahlter Sex im Pflegeheim ist allerdings kein neues Thema. Stephanie Klee arbeitet schon seit mehr als fünf Jahren als Sexualassistentin. „Auch davor habe ich schon Menschen in Pflegeeinrichtungen besucht“, erzählt Klee. Doch warum wird das Thema so tabuisiert?

Klee glaubt, dass das sowohl an dem Schamgefühl der Bewohner sowie an fehlenden Schulungen des Personals liegt. „Natürlich gehören die Menschen im Pflegeheim einer Generation an, in der nicht offen über Sexualität gesprochen wurde.“ Trotzdem glaubt sie, dass Weiterbildungen des Pflegepersonals helfen würden, das Schamgefühl auf beiden Seiten zu überwinden.

Die Sexualassistenz ist nach Angaben des Bundesverbands sexuelle Dienstleistungen e.V. (BSD) eine Form der Prostitution. Laut BSD ist die Sexualassistenz ein Angebot für behinderte, alte oder kranke Menschen. Häufig lebten diese in großer Abhängigkeit und mit vielen Einschränkungen, sodass für sie keine andere Möglichkeit besteht, um Sexualität mit einem anderen Menschen erfahren zu können. (cra)

Auch die Markranstädterin Marie Seyde hat sich schon genauer mit dem Thema beschäftigt. Die Absolventin der Hochschule Merseburg schrieb 2014 ihr Bachelorarbeit zum Thema „Sexualbegleitung für Menschen mit Behinderung“. „Während meines Praxissemesters in einer Pflegeeinrichtung habe ich einen Mann kennengelernt, der den Wunsch nach Sex geäußert hat. Die Einrichtungsleitung reagierte aber unsensibel auf sein Bedürfnis.“ Auch Seyde glaubt, dass die Menschen in den Heimen sexuelle Bedürfnisse haben. „Es steht und fällt aber mit dem Personal. Wie die Pfleger mit dem Thema umgehen, wirkt sich auf die Bewohner aus.“

Doch Sex ist etwas natürliches, auch im Alter. „Das sexuelle Bedürfnis ist dann allerdings nicht mehr so groß, wie in jüngeren Jahren. Der sexuelle Akt als solcher spielt nicht mehr so die große Rolle“, erklärt Harald Stumpe, Sexualwissenschaftler an der Hochschule Merseburg. „Stattdessen wird der Zärtlichkeitsaustausch viel wichtiger. Trotzdem findet auch noch Sex im klassischen Sinne statt“, so Stumpe weiter. (mz)

Auch im Alter bleibt bei Menschen das Bedürfnis nach körperlicher Zuneigung bestehen.
Auch im Alter bleibt bei Menschen das Bedürfnis nach körperlicher Zuneigung bestehen.
Peter Lisker