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Sechs Kilometer in fünf Wochen Sechs Kilometer in fünf Wochen: Ausreißer Micky nach Wanderschaft wieder zu Hause

Von Anke Losack 24.08.2019, 06:00
Carmen und Gerald Reichmann sind glücklich, dass Micky wieder zu Hause ist.
Carmen und Gerald Reichmann sind glücklich, dass Micky wieder zu Hause ist. Katrin Sieler

Barnstädt - „Es ist eine unglaubliche Geschichte“, sagt Gerald Reichmann (59) aus Barnstädt. „Eine mit Happy End“, fügt seine Frau Carmen (54) an. Die Familie ist glücklich, dass Schildkröte Micky nach fast einem Vierteljahr wieder zu Hause ist. Der Ausreißer hat offenbar eine rund sechs Kilometer lange Wanderung unternommen, dabei wohl auch unfallfrei die B180 überquert. Über Umwege kam Micky nun zurück zu den Reichmanns.

Mehr als 30 Jahre ist die Griechische Landschildkröte im Besitz der Familie. Im Garten, der an einen Feldweg grenzt, hat Micky ein Gehege. „Er macht einen langen Hals, wenn er dort raus will“, erzählt Carmen Reichmann. Und so setzte Carmen Reichmann auch am 24. Mai Micky ins Gras. Weil Kater Harry Dummheiten machte, war die Besitzerin einen Moment lang abgelenkt.

„Er war wie vom Erdboden verschluckt“

Und da war es geschehen: Micky war weg. Die Familie suchte den Garten ab. Vergebens. „Er war wie vom Erdboden verschluckt“, so die 54-Jährige. Selbst eine Wärmebildkamera, die sich die Familie von der Feuerwehr geliehen hatte, kam bei der Suche zum Einsatz. Erfolglos.

„Er war mal zwei Wochen weg. Da hat ihn der Nachbar gefunden“, berichtet die Barnstädterin. Diesmal meldete sich allerdings kein Finder bei ihnen. Anfang August erfuhr die Familie von Bekannten, dass es in Steigra Aushänge und im Internet Meldungen über eine Fund-Schildkröte gibt. Die untere Naturschutzbehörde des Saalekreises bat um Mithilfe und informierte, dass das herrenlose Tier am 3. Juli in Steigra gefunden wurde. „In Steigra. Das kann sich nicht um unsere Schildkröte handeln, haben wir gedacht“, so Gerald Reichmann.

„Als ich wiederkam, war die Schildkröte aber weg.“

Wie die Familie später erfuhr, hat der Golden Retriever Aaron von Familie Zernsdorf aus Steigra den kleinen Micky auf einem Rübenfeld erschnüffelt. „Aaron wollte dort nicht mehr weg“, erzählt Annerose Zernsdorf der MZ. Um die Schildkröte mitzunehmen, musste sie erst den Hund nach Hause bringen. Die Steigraerin machte sich deshalb am Feldweg nahe der Fundstelle ein Zeichen. „Als ich wiederkam, war die Schildkröte aber weg.“

Sie habe eine Weile gesucht. „Ich wollte gerade wieder gehen. Doch beim letzten Blick habe ich sie Gott sei Dank in einem Loch am Feldrand gesehen“, berichtet Zernsdorf, die Micky dann mitnahm. „Wir sind tierlieb, kennen uns mit Schildkröten aber nicht aus“, fügt sie an. Darum informierte die Familie die Tochter in Lieskau bei Halle, in deren Nachbarschaft Schildkröten-Besitzer wohnen. „Sie haben sie aufgenommen“, so Zernsdorf. Außerdem wurde der Kreis informiert.

Per Fotoabgleich konnte bewiesen werden, dass es sich bei dem Tier um ihren Micky handelt

Gegenüber der unteren Naturschutzbehörde musste Familie Reichmann Nachweise erbringen, dass es ihre Schildkröte ist. „Die waren da ganz genau“, so die Barnstädterin. Per Fotoabgleich konnte bewiesen werden, dass es sich bei dem Tier um ihren Micky handelt. Erkennungsmerkmal ist nämlich eine Kerbe am Panzer.

Das Stück ist vor ein paar Jahren herausgebrochen, als der Familienhund die Schildkröte in der Schnauze hatte. Die Behörde stimmte schließlich zu, Micky in Lieskau abholen zu dürfen. „Ein Glück, dass unser Hund diese Schandtat begangen hatte“, so die Barnstädterin, die den Ausreißer in den Händen hält und über den glänzenden Panzer streichelt.

„Ich glaube nicht, dass ihn jemand nach Steigra gebracht hat“

Für Gerald Reichmann ist noch immer unfassbar, dass Micky fünfeinhalb Wochen nach seinem Verschwinden rund sechs Kilometer von zu Hause entfernt gefunden wurde. „Ich glaube nicht, dass ihn jemand nach Steigra gebracht hat“, sagt er und ist überzeugt, dass Micky die Strecke gelaufen ist. Von Schildkröten-Kennern habe er erfahren, dass das möglich sei. Ron Scheffel, Schildkröten-Züchter in Teutschenthal, kann das bestätigen. „Schildkröten sind schon sehr agil.“

Grund für die Aktivität könnte beispielsweise Partnersuche sein. „Wenn ein Männchen nach einem potenziellen Partner sucht, macht es sich auch auf Wanderschaft“, erklärt Scheffel. Wie aus Fachliteratur hervorgeht, legen die Tiere auf Wanderungen im Durchschnitt 80 Meter täglich zurück, teilweise können es aber auch bis zu 400 Meter sein.

Jetzt, wo Micky wieder zu Hause ist, wird er von allen Seiten verwöhnt, etwa mit frischen Himbeeren, die er gern verspeist. (mz)