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Schulbusse im Saalekreis Schulbusse im Saalekreis: Wenn der Schulweg zur Qual wird

Von Katrin Löwe und Dirk Skrzypczak 27.09.2016, 08:30
Mirella Herfurth und Tochter Annabel. Seit sie in Merseburg zur Schule geht, sind frühes Aufstehen und lange Fahrten angesagt.
Mirella Herfurth und Tochter Annabel. Seit sie in Merseburg zur Schule geht, sind frühes Aufstehen und lange Fahrten angesagt. Wolfgang Kubak

Schnellroda - Mirella Herfurth aus Schnellroda hat einen Wunsch. Sie sagt, sie wolle „das fröhliche Kind wieder“, das sonst in der Familie mit seiner Art alle aufgemuntert hat. Vor wenigen Wochen hat die Schule wieder angefangen - für Tochter Annabel war damit auch ein Schulwechsel nach Merseburg verbunden. Die Förderschule, auf die sie jetzt geht, gefällt der Zwölfjährigen gut. Wenn nur die Fahrerei nicht wäre.

Früh um fünf Uhr klingelt für das Mädchen aus Schnellroda der Wecker. „Da bin ich noch ganz müde“, sagt sie selbst - obwohl sie nach Angaben ihrer Eltern abends 20 Uhr ins Bett geschickt wird. Zwischen 5.45 und sechs Uhr, erklärt Mirella Herfurth, steht der Fahrdienst vom Arbeiter-Samariter-Bund vor der Tür. Annabel sei die Erste auf dessen Route, die abgeholt wird - über Langeneichstädt, Schmirma, Oechlitz, Mücheln, Braunsbedra und Frankleben gehe es dann zur Schule. Dort treffe Annabel kurz vor Unterrichtsbeginn um 7.30 Uhr ein. Schlafen auf dem Weg? Nicht bei den Straßen, sagt das Mädchen.

15.591 Kinder und Jugendliche

Annabel sei keine Ausnahme, sagt Herfurth. „Es gibt viele Kinder, die mitten in der Nacht aufstehen müssen.“ An den Winter dürfe sie noch gar nicht denken - je nach Straßenverhältnissen wird es dann vielleicht noch früher losgehen.

Im Saalekreis gehen 15.591 Kinder und Jugendliche zur Schule. 8.204 von ihnen, also über die Hälfte, sind auf Busse oder Bahnen angewiesen, um zum Unterricht oder wieder nach Hause zu kommen. Über 60 Prozent der Fahrschüler sitzen pro Strecke zwischen 20 und 40 Minuten im jeweiligen Verkehrsmittel. Da ist der Fußweg zu den Haltestellen noch nicht eingerechnet. „Dennoch bewegen wir uns im zulässigen Rahmen. Die zumutbaren Schulwegzeiten halten wir ein“, sagt Kreissprecherin Kerstin Küpperbusch. Für die Grundschule sind je Richtung 45 Minuten erlaubt, für die Klassen fünf bis zehn sind es 75 Minuten.

70 Minuten von Ermlitz zum Gymnasium

Im Grundschulbereich haben die Kinder aus Brachstedt, die die Einrichtung in Wallwitz besuchen, mit 37 Minuten die längste Anfahrtzeit. Bei den Sekundarschulen sind es die Schüler aus Rumpin, die nach Höhnstedt müssen und 50 Minuten im Bus sitzen. Die absoluten Rekordhalter kommen neben Förderschülerin Annabel aber aus Ermlitz. Um zum Herdergymnasium in Merseburg zu gelangen, haben sie eine Fahrtstrecke von 70 Minuten vor sich - so wie die jungen Gröster übrigens, die am Domgymnasium Merseburg die Schulbank drücken.

Für Frank Werner-Bentke, Schulleiter am Herdergymnasium, sind die langen Fahrtzeiten ein ernstes Problem. „Wir muten manchen Schülern etwas zu, das würden Erwachsene nicht auf sich nehmen“, sagt er. 7.45 Uhr beginnt am „Herder“ der Unterricht, 15.05 Uhr ist er zumeist vorbei. „Uns erreichen immer wieder Klagen von Eltern, die auf die Belastungen für ihre Kinder hinweisen. Und diesen Ärger kann ich nachvollziehen“, meint der Schulleiter. Man wolle versuchen, mit dem Landkreis und dem Busbetrieb ins Gespräch zu kommen. Eventuell seien ja Optimierungen möglich.

Modell der Gemeinschaftsschule

Eine weitere Möglichkeit, die langen Fahrtzeiten zu minimieren, ist das Modell der Gemeinschaftsschule. Unter anderem will die Sekundarschule Bad Dürrenberg einen gymnasialen Zweig eröffnen. „Das könnte helfen, dem Schulwegproblem entgegen zu wirken. Es muss aber auch fachlich passen“, sagt Werner-Bentke.

Zu Hause ist Annabel übrigens erst 15.30 Uhr - nach dem Schulschluss um 12.30 Uhr fahre gegen 14 Uhr der Kleinbus, so Herfurth. „Vom Nachmittag hat sie dann nichts, weil sie so müde ist.“ Praktisch lege sich Annabel erst einmal hin. Am Ende bleibe kaum Zeit für Freizeitbeschäftigung, fürs Spazierengehen, Tanzen, Singen. Langsam sei das zu spüren, so die Schnellrodaerin. Annabel sei häufiger schlecht gelaunt, gereizt. Schwester Maike, die in Großkayna zur Schule geht, muss fast eine Stunde später los und ist eine Stunde eher wieder da. (mz)