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Saalekreis Saalekreis: Rettung in letzter Sekunde

Von DIRK SKRZYPCZAK 16.06.2011, 19:23

MÜCHELN/MZ. - Der Geruch von verbranntem Stroh liegt noch in der Luft. Die Seitenbespannung des Stallzeltes ist zur Hälfte zerfetzt, die ausgefransten, verkohlten Zacken der Zeltplane flattern im Wind. "Wir hatten noch Glück im Unglück, denn wir konnten alle Tiere retten. Aber es war verdammt knapp", meint Gerardo Sperlich, Junior-Chef im Familienzirkus "Moreno". Auf einer Wiese am Arthur-Scheibner-Ring in Mücheln hat der Zirkus seine Manege aufgebaut. In der Nacht zum Donnerstag brannten unmittelbar am Stallzelt Heu- und Strohballen, das Futter für die Tiere. Feuer und Hitze griffen auf die Behausung über.

Anwohner schlagen Alarm

Am Mittwochabend war dem Zirkuspersonal eine Clique Jugendlicher aufgefallen, "die hier rumgezogen ist". Ob die jungen Leute ihre Hände im Spiel hatten? Das ist Spekulation, für den 19-jährigen Gerardo Sperlich aber momentan der einzige Anhaltspunkt. Die Polizei schließt Brandstiftung nicht aus, spricht ansonsten aber - wie bei Ermittlungen üblich - zunächst noch von einer ungeklärten Brandursache. Dass aus dem Feuer kein Inferno wurde, verdankt das "Moreno"-Team vor allem Bewohnern eines angrenzenden Blocks. Sie hatten gegen Mitternacht die züngelnden Flammen bemerkt und laut gerufen. "Wir sind alle nach draußen gerannt, da haben auch schon die Esel geschrien", erzählt Gino Hein. Der Kampf um das Hab und Gut sowie das Leben von Kamelen, Lamas, Pferden, Ponys, Eseln, Ziegen und Hunden ist ein Wettlauf gegen die Zeit gewesen. "Fünf Minuten später hätte es vermutlich eine Katastrophe gegeben", glaubt der Junior-Chef. Fünf Zirkusleute, mehr sind in der Nacht nicht vor Ort, stemmten sich gegen das Feuer.

Sie trieben die Tiere ins Freie, schoben das brennende Stroh und Heu zur Seite, versuchten mit Wasser aus einem Gartenschlauch und aus Eimern die Flammen zu löschen. "Wir hatten aber keine Chance. Gott sei Dank war die Feuerwehr schnell da", berichtet Gino Hein, der ein drei Tage altes Ponyfohlen aus dem Stall nach draußen trug. Mit besprühten Wagen, zerstochenen Reifen oder eingeworfenen Scheiben hat es das Unternehmen immer mal zu tun. Auch gebrannt hatte es schon mal - aber nicht in dieser Dimension.

Den Zirkus führen die Sperlichs in siebter Tradition, doch die Zeiten seien hart geworden, erzählen sie. "Der Umsatz hat deutlich nachgelassen. Die Menschen gehen bei diesem Wetter lieber Eis essen oder zum Baden. Oft reicht das Geld nur, die Unkosten zu decken", sagt der 25-jährige Patrick Sperlich. Noch vor ein paar Jahren konnte es sich die Familie leisten, ein Winterquartier zu suchen und dort auf den Frühling zu warten. Heute tourt "Moreno" ohne Pause quer durch die Republik. "Als kleiner Wanderzirkus hat man es eben schwer", weiß Bruder Gerardo. Zum Familienbetrieb gehören neben Vater, Mutter und Schwiegersohn insgesamt sechs Geschwister. Außerdem setzt der Zirkus auf Mitarbeiter aus Rumänien oder angesehene Künstler, die sich ihnen für eine Tournee anschließen, wie beispielsweise die Hochseilartisten Weisheit aus Gotha.

Veranstaltungen bleiben

Trotz der jüngsten Ereignisse will "Moreno" an seinem Veranstaltungsplan festhalten. Außerdem hofft der Zirkus auf Spenden, schließlich wurde durch das Feuer fast das komplette Futter vernichtet, auch die Reparatur des Zeltes dürfte teuer werden. Gerardo Sperlich hat daher einen Wunsch: gut besuchte Vorstellungen. Die Show soll schließlich weitergehen.

Vorstellungen sind am Freitag (17 Uhr), am Samstag (15 und 18.30 Uhr) sowie Sonntag um 11 Uhr geplant.