Saalekreis Saalekreis: Gestohlenes Geld und getürktes Wasser
BAD LAUCHSTÄDT/MZ. - Nicht nur, dass die Mitarbeiter des Lauchstädter Mineralbrunnens seit August überhaupt keinen Lohn mehr erhalten haben. Sie wurden bereits vorher regelrecht bestohlen.
Jeder der 29 Heilbrunnen-Mitarbeiter hatte eine zusätzliche Rentenversicherung abgeschlossen, bei der sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer einen Teil bezahlen. "Das Geld wurde uns direkt vom Lohn abgezogen, aber bei der Versicherung ist mein Anteil nicht angekommen", erzählte Jörg Lehnert, Schichtleiter bei Lauchstädter, der MZ. So wie ihm geht es offenbar auch allen anderen. Die Fehlbeträge sind unterschiedlich hoch. Es geht um 50 bis 200 Euro, die die Beschäftigten monatlich zahlen wollten. "Das ist auch einer der Gründe warum die Belegschaft am 13. Dezember 2010 Strafanzeige gegen den Eigentümer, Perfect Timing, gestellt hat", erklärte Produktionsleiter Bernd Werner. Kurios sei gewesen, dass noch am selben Tag der Eigentümer die Firma an einen neuen Eigentümer, die Vermögensverwaltungsgesellschaft Vönix aus Hamburg, überschrieben habe.
Ebenfalls im Dezember arbeiteten die Mitarbeiter noch mit Hochdruck an einem Außenhandelsprojekt für Lauchstädter. "Wir bereiteten Etiketten für Flaschen vor, die in die Türkei geliefert werden sollten", erzählte eine Mitarbeiterin. Schon über Monate hätten immer wieder türkische Reisegruppen den Betrieb besucht und alles fotografiert. Das Wasser habe "perfect timing water" heißen sollen. "Das kann man sogar noch auf der Internet-Seite finden." Die Limonaden für diese Serie hätten vom Harzer Grauhofbrunnen kommen sollen, es hätte nur der Anschein erweckt werden sollen, dass alle Produkte original aus Bad Lauchstädt kommen.
Die letzte Flasche Lauchstädter war etwa am 15. November abgefüllt worden. Ob in Bad Lauchstädt jemals wieder Wasser produziert wird? Angeblich will der jetzige Eigentümer noch zwischen einer und 1,3 Millionen Euro für die Firma haben.
"Aber was wäre denn Bad Lauchstädt ohne Lauchstädter?", fragte Bernd Werner. "Nur durch das Wasser ist die Stadt doch überhaupt entstanden. Nur deshalb waren Goethe und Schiller hier. Nur deshalb gibt es das Goethe-Theater." Es hätte nicht so weit kommen müssen, ist er sich sicher. Im heißen Sommer 2010 hätte man so viel produzieren und damit Geld reinholen können, wenn die Geschäftsführung nur Flaschen, Schraubverschlüsse und Etiketten zur Verfügung gestellt hätte. "Aber sie hat sich einfach nicht an die Verträge gehalten, nachdem sie den Brunnen für einen Euro gekauft hatten", kritisierte der 62-Jährige. "Jetzt hoffe ich nur noch auf einen Investor, der Interesse an unserem Traditionswasser hat und was von der Branche versteht."
Nach MZ-Informationen hat das Finanzamt Merseburg am Dienstag bei Gericht Insolvenzantrag für Lauchstädter gestellt. Für eine Stellungnahme war am Dienstagabend niemand mehr zu erreichen.