Merseburg kümmert sich um minderjährige Flüchtlinge Merseburg kümmert sich um minderjährige Flüchtlinge: Jung und dem Tod entronnen

Merseburg - Sie sind jung und haben meist ihre Familie verloren. Manche haben ihre Eltern oder Geschwister im Krieg sterben sehen. Viele sind traumatisiert, schüchtern und immer noch skeptisch. Kein Wunder - das Deutsch der jungen Flüchtlinge, die erst seit einigen Wochen in Deutschland sind, ist noch schlecht. Es fällt ihnen schwer sich zu verständigen und mit Worten herauszufinden, ob der Mensch, der ihnen gegenübersteht, ihnen wohlgesonnen ist. „Aber wenn sie erstmal Vertrauen gefasst haben, sind sie sehr anhänglich“, erzählt Susan Overcamp von der Pem (Personalentwicklungs- und -management GmbH).
Ruhe und Geborgenheit schenken
Sechs 15- und 16-jährige Jungs aus Afghanistan werden derzeit von der Pem in Merseburg betreut. Sechs Sozialarbeiter und Sozialpädagogen, die selbst verschiedene Sprachen sprechen, kümmern sich im Schichtdienst um ihre jungen Schützlinge. „Unser Ziel ist, ihnen Ruhe und Geborgenheit zu geben“, sagt die Frau, die vor ihrer Arbeit als Standortleiterin bei der Pem mehr als zehn Jahre lang Erfahrungen in einem Kinderheim gesammelt hat. Die Jugendlichen hätten in ihrer Heimat, wo Krieg und Armut herrscht, zum Teil nie eine Schule besuchen können, weil sie die Familie mitversorgen mussten. Manche seien deshalb Analphabeten. Deutsch sei also die erste Sprache, die sie auch in der Schriftform beherrschen lernen.
Familiensuche quer durch Deutschland
Knapp 70 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge leben zurzeit im Saalekreis (Zahlen von Ende April). Im südlichen Saalekreis werden 28 Minderjährige in Querfurt in verschiedenen Einrichtungen betreut. Sechs junge Flüchtlinge leben in Mücheln und 17 in Merseburg. Im nördlichen Saalekreis werden drei junge Flüchtlinge durch die Awo im Kinderheim Krosigk betreut, zwei durch die Awo im Mädchenhaus Merbitz, zehn durch die Evangelische Stadtmission in Johannashall. Um zwei Jugendliche kümmert sich der Internationale Bund Halle.
„Wir versuchen ganz vorsichtig herauszufinden, wie die Jungen eigentlich nach Deutschland gekommen sind.“ Warum die Jugendlichen hier sind, ist ziemlich klar. In Europa hoffen sie auf eine bessere Zukunft und darauf, hier ihre Verwandten zu finden, von denen sie glauben, dass sie in Deutschland leben. „Wir gehen jedem Hinweis nach, den uns die Kinder geben und telefonieren uns dann durch halb Deutschland“, so Overcamp. Die Hinweise beträfen vor allem westliche Großstädte wie Hamburg oder München. Die Mitarbeiter versuchen es dort bei Einwohnermeldeämtern oder anderen Behörden und geben nicht auf. „Trotzdem haben wir leider auch schon einen Fall, bei dem wir die Hoffnung, Familie zu finden, enttäuschen mussten. Da ist einfach niemand.“
Clearing-Platz kostet bis zu 175 Euro am Tag
Und was passiert, wenn keine Verwandten gefunden werden? „Dann werden die Jugendlichen ganz normal untergebracht wie deutsche Kinder auch - in einem Kinderheim oder einer anderen Einrichtung“, erklärt André Wähnelt, der Sozialdezernent des Saalekreises. Bis im Rahmen des sogenannten Clearing-Verfahrens tatsächlich geklärt ist, ob die Kinder oder Jugendlichen in Deutschland noch Verwandte haben, bleiben sie aber in den aktuellen Einrichtungen. Finanziert wird die Unterbringung und Betreuung der jungen Ausländer über Gelder, die vom Bund an die Länder ausgereicht werden. Ein sogenannter Clearing-Platz kostet zwischen 150 und 175 Euro pro Tag, weil die Arbeit sehr aufwendig ist. Eine spätere Unterbringung ist weniger teuer.
Die Kinder und Jugendlichen, die jetzt im Saalekreis leben, kommen aus Syrien, Afghanistan, Algerien, Eritrea, Gambia, dem Senegal oder Somalia. In Deutschland angekommen zu sein, bedeutet für sie aber nicht nur herumsitzen und warten. „Wir haben eine strengen Tagesablauf, denn auch diese Jugendlichen brauchen Regeln“, erklärt Susan Overcamp. „Etwa um 7 Uhr wird aufgestanden, nach dem Frühstück haben sie Deutschunterricht, nachmittags gemeinsame Freizeit. Am Abend wird der Tag ausgewertet.“ Overcamp: „Natürlich haben einige großes Heimweh, aber sie sind einfach froh, in Sicherheit zu sein und nicht sterben zu müssen.“ (mz)