Merseburg Merseburg: Goldene Konfirmanden «sind eben besonders»
schafstädt/MZ. - Röder, der gelernte Maurer und studierte Ingenieurpädagoge, hat fast alle Konfirmanden des Jahres 1962 erreicht und eingeladen. "Na, so schwer war das eigentlich nicht, denn viele von uns sind doch bodenständig und in der Heimat geblieben", sagt er, der im Bad Lauchstädter Ortsteil Schotterey wohnt. Regina Böttcher (geb. Tittmann) und Günter Reinicke gehören zu denen, die in Schafstädt hängengeblieben sind.
"Wir sind 1954 eingeschult worden in Schafstädt. Ende der 1950er und Anfang der 1960er Jahre drängten Partei- und Staatsführung der DDR darauf, dass alle 14-Jährigen unbedingt an der Jugendweihe teilnehmen sollten. Aber wir waren vor allem durch einige unserer Lehrerinnen, wie etwa die Schwestern Hiltrud und Katharina von Borries, und auch in den Elternhäusern sehr christlich erzogen worden. Deshalb entschlossen wir uns, keine Jugendweihe sondern nur Konfirmation zu feiern", erinnert sich Regina Böttcher. Es seien mehr als die Hälfte der Schüler gewesen, die sich so entschlossen hatten. "Und das war schon sehr ungewöhnlich", hakt Dieter Röder wieder ein. "Lehrer, staatliche Stellen und Parteifunktionäre liefen bei unseren Eltern Sturm, um sie zu überzeugen, dass wir doch auch Jugendweihe feiern sollten. Aber unsere Familien blieben standhaft. Ich muss aber auch betonen, dass es diesbezüglich keine Repressalien gab. Weder gegen die Eltern noch gegen uns Schüler", so Röder. Man habe die Konfirmanden allerdings immer zum Schulbesuch verdonnert, wenn die Jugendweiheteilnehmer irgendwohin auf Fahrt gingen. Das sei ihnen aber sehr egal gewesen, meint Regina Böttcher.
Und so besuchten die standhaften Schafstädter Schülerinnen und Schüler weiter fleißig die Christenlehre und die Konfirmandenstunden, die ihnen viel Spaß gemacht haben. "Es war einfach immer was los in der Kirche. Die FDJ hat nichts auf die Beine gestellt, aber der Pfarrer und die Vikare, die haben der Jugend etwas geboten. Und da ist sie auch hingegangen", ergänzt Günter Reinicke. Es war Pfarrer Helmut Kuhles, der das kirchliche Leben in dieser Zeit vorantrieb und der den Konfirmanden die notwendige Prüfung vor versammelter Gemeinde abnahm.
Pfingsten 1962 war es dann so weit. Der Tradition folgend streute jeder Konfirmand am Tag vor der Feier weißen Sand von seinem Elternhaus bis zur Kirche und schmückte den mit grünen Zweigen. "An manchen Stellen war der Sand nachts von den Parteigenossen weggefegt worden, aber das war eher lächerlich für uns", erinnert sich Dieter Röder. Und Regina Böttcher denkt an die festliche Kleidung, die schwarzen Strümpfe und die ersten "Hacketrittchen" (Schuhe mit kleinem Absatz), mit denen vorher erst noch das Laufen geübt wurde. "Natürlich wurde nach der Konfirmation noch tüchtig in Familie gefeiert", erzählt Günter Reinicke, der selber einen englischen Kammgarnanzug trug, der viel zu kurz war.
Solche Erinnerungen wurden schließlich auch am Sonntag ausgetauscht, nachdem Pfarrer Detlev Paul die Goldenen Konfirmanden erneut eingesegnet hatte.