Merseburg Merseburg: Die Zeit der Heuler ist nicht abgelaufen
MERSEBURG/MZ. - Trotz digitaler Meldeempfänger für die Einsatzkräfte - in der Merseburger Kernstadt sind alle Brandbekämpfer seit vergangenem Jahr mit den Piepern ausgestattet - haben die Sirenen nicht ausgedient. "Wir können auf die Sirenen nicht verzichten", sagt Ingo Triller, Sachgebietsleiter Feuerwehr in der Stadtverwaltung. Sicherheit gehe vor, denn die digitalen Alarmmelder seien nicht frei von Tücken. "Die Pieper funktionieren nicht überall, können etwa in Kellern streiken."
In fast allen Gemeinden des Saalekreises ist es ähnlich - 227 Sirenenstandorte meldet der Landkreis für sein Hoheitsgebiet. Nur Querfurt geht seit Anfang der 1990er Jahre einen eigenen Weg und hat damals in der Kernstadt alle Sirenen abbauen lassen. "Diese Entscheidung wurde vor meiner Zeit getroffen", meint Stadtwehrleiter Enrico Zeugner. Erst hatte die Querfurter Einsatztruppe analoge Meldeempfänger, jetzt sind es digitale. "So lange ich bei der Feuerwehr bin, hat es damit keine größeren Probleme gegeben. Wir sind immer pünktlich ausgerückt", sagt Zeugner.
Ein gewisses Restrisiko bleibt. Schließlich sollen Sirenen die Menschen auch im Katastrophenfall warnen. "Wir müssten dann mit dem Wagen durch die Stadt fahren und die Leute per Lautsprecher informieren", bestätigt Zeugner, findet aber auch: "Ich weiß nicht, ob die Einwohner mit dem Sirenenton bei Katastrophen etwas anfangen könnten." Ohnehin würde es die finanzielle Lage der Stadt kaum zulassen, Sirenen wieder zu montieren. Die Aufstellung nur eines Turms mit der nötigen Ausstattung koste bis zu 10 000 Euro, rechnet der Stadtwehrleiter vor.
Wie man Menschen bei Katastrophen effektiv warnen könne, zeige der Chemiepark Leuna, lobt Triller. Auf dem Werksgelände sind Sirenen installiert, die neben Signaltönen auch Sprechdurchsagen möglich machen. Dieses System ist zwar gut, aber auch teuer. "Eine derartige Umrüstung werden wir uns in nächster Zeit nicht leisten können", sagt Folkmar Bothe, Ordnungsamtsleiter der Stadt Merseburg. Den Kauf von 30 digitalen Meldeempfängern hat die städtische Feuerwehr aus Landesmitteln gefördert bekommen, zehn Pieper hat Merseburg selbst angeschafft. Demnächst soll die Sirenensteuerung überall in der Stadt und den Ortsteilen ebenfalls digitalisiert werden. "Wir rechnen damit, dass wir zehn Standorte umrüsten müssen", glaubt Bothe. Die Kosten dürften rund 7 500 Euro betragen.
Unterdessen bittet Michael Jahn, Abteilungsleiter bei der hauptamtlichen Wachbereitschaft der Freiwilligen Feuerwehr Merseburg, um Verständnis für das Sirenengeheul. "Für die Leute, die unmittelbar an Sirenen wohnen, ist es schon störend. Das Wohl der Allgemeinheit wiegt da aber schwerer." Bei kleineren Einsätzen, für die die sechsköpfige Schichtbesatzung der Wachbereitschaft ausreicht, bleiben die Sirenen in Merseburg freilich stumm.