Lernen für die Industrie Lernen für die Industrie: Herder-Gymnasium in Merseburg erfindet ein neues Fach

Merseburg - Mit Robotern kennen sie sich aus am Merseburger Herder-Gymnasium. Regelmäßig gewinnen Teilnehmer der Lego-Roboter-Arbeitsgemeinschaft Preise bei Wettkämpfen. Ab dem kommenden Schuljahr will das Gymnasium noch einen großen Schritt weitergehen. Es soll dann ein komplett neues Schulfach aus der Taufe gehoben werde: die Junior-Ingenieur-Akademie (JIA). Die soll ein Wahlpflichtkurs sein, den Neunt- und Zehntklässler dann alternativ zu Wirtschaftsenglisch, Psychologie oder Spanisch wählen.
„Das Fach ist angelehnt an den Technikunterricht“, so Schulleiter Frank Werner-Bentke. Den Lehrplan hat er gemeinsam mit Physiklehrer Stephan Beier und Techniklehrerin Gabi Rakoswki, die auch die Roboter-AG leitet, selbst geschrieben. „Vier Kurshalbjahre, die aufeinander aufbauen“, erläutert Werner-Bentke. Dem Schulleiter ist besonders wichtig, dass das neue Fach Anbindung an die Unternehmen der Region hat. So will Rakowski im Klassenzimmer zwar die Theorie vermitteln, die Schüler sollen jedoch auch viel Zeit in Betrieben verbringen, um Praxiserfahrungen zu sammeln.
Herder-Gymnasium Merseburg will Jugendlichen eine Perspektive in der Region bieten
Werner-Bentke begründet: „Wir wollten das, was die Region bietet, also etwa die Chemie, in den Blick nehmen.“ Ziel sei es, zum einen den Jugendlichen eine Perspektive in der Region zu bieten, zum anderen wolle man, dass die hier ansässigen Unternehmen Nachwuchs in der Region finden können. „Eine Win-win-Situation.“ Der Schulleiter schätzt, dass etwa 20 Prozent der Schüler, die an sein Gymnasium kommen, eine Ausbildung und kein Studium anstreben. Einige würden die Schule auch nach der zehnten Klasse verlassen. Unter anderem an diesen hätten die Unternehmen Interesse.
Entsprechend spiegeln auch die Themen des neuen Faches die industrielle Ausrichtung der hiesigen Wirtschaft wider. So steht etwa im ersten Halbjahr die Robotik auf dem Programm. Dabei sollen die Schüler etwa das Programmieren von Maschinen erlernen. Es folgen Halbjahre zu Kommissioniersystemen – also Logistik –, Kunststofftechnik und erneuerbaren Energien. Da Rakowski der Einblick in die Arbeitswelt wichtig ist, konnte das Gymnasium bereits vier Partner aus der Wirtschaft, darunter etwa die Stadtwerke Merseburg und Domo in Leuna, gewinnen. Auch die Hochschule Merseburg ist mit an Bord. „Dort gibt es zum Teil Vorlesungen, wir nutzen aber auch die Schülerlabore“, erörtert Werner-Bentke, der um weitere Kooperationspartner buhlt, um das Fach langfristig zu etablieren.
Anschubfinanzierung von 10.000 Euro für das Herder-Gymnasium Merseburg
Die ersten zwei Jahre ab dem Sommer sind bereits gesichert. Das Herder-Gymnasium setzte sich mit seinem Konzept beim JIA-Wettbewerb der Telekom Stiftung durch und erhält eine Anschubfinanzierung von 10.000 Euro. Von dem Geld sollen Reisekosten etwa zu den Wirtschaftspartnern in Leipzig und neue Ausrüstung bezahlt werden. Sie brauche etwa weitere Lego-Roboter, um das Programmieren zu üben, sagt Rakowski.
Damit es im Sommer losgehen kann, benötigt das Herder-Gymnasium nun noch das offizielle Okay des Landesschulamtes. Da aber andere Schulen bereits JIA-Unterricht mit anderen Schwerpunkten hätten, sieht Werner-Bentke das nicht als großes Hindernis. Bei den Schülern ist die Nachfrage auf jeden Fall gegeben: „Wir haben jetzt 28 Anmeldungen für JIA. Die können wir nicht alle nehmen“, sagt der Schulleiter. Allerdings ist das Schülerinteresse vor allem ein männliches. Unter den 28 Interessierten sind lediglich fünf Mädchen. (mz)