Kinderbuchautor Adolf Holst Kinderbuchautor Adolf Holst: Hier Idylle, da Propaganda
BRANDERODA - War der Kinderbuchautor Adolf Holst aus Branderoda (1867-1945) ein Mann zwischen Häschen-Idylle und Kriegs-Propaganda? Durch einen Artikel der Zeitung im niedersächsischen Bückeburg, wo Holst lange Zeit bis zu seinem Tod lebte, bekam die weiße Weste des Schriftstellers und Verlegers Flecke. Fragen sind aufgetaucht, auf die die Mitglieder des Branderodaer Heimatvereins nun Antworten suchen. Immerhin wollen sie den Sohn des Dorfes 2017 zu dessen 150. Geburtstag mit einem Festjahr ehren.
Die Generalprobe fand am Sonnabend statt. Eine Erinnerungsveranstaltung beleuchtete die Kindheit von Adolf Holst als Sohn des Pfarrers. Dabei ordnete die Kulturwissenschaftlerin Juliane Stückrad aus Eisenach die bisherigen Erkenntnisse ein. Schließlich war in jenem Zeitungsartikel von kriegsverherrlichenden Versen von Adolf Holst zum Beginn des Ersten Weltkriegs zu lesen, von „zu Papier gebrachten Hetzparolen“ und von seiner Teilnahme an einem von Goebbels initiierten Dichterwettbewerb 1940 mit Versen zum Blitzkrieg.
Kontroverse Diskussionen
Aus ihrer Sicht müsse geklärt werden, ob der als Märchenonkel und Kinderfreund bekannte Holst tatsächlich ein nationalsozialistischer Schriftsteller war und wenn ja, ob man ihn dann verehren könne, so Juliane Stückrad. Sie verstehe, dass in Branderoda und beim neu gegründeten Adolf-Holst-Netzwerk kontrovers diskutiert werde, ob man das Holst-Projekt überhaupt weiterverfolgen sollte. Sie finde es richtig und wichtig, nichts unter den Tisch zu kehren.
In der Frage, warum sich Adolf Holst wie in der Nazi-Diktatur verhalten habe, würden viele Aspekte noch im Dunkeln liegen. Man wisse, dass es dem Dichter in seinen letzten Lebensjahren finanziell schlecht ging. Und man wisse, dass er eine unheilbar kranke Tochter hatte, die in einer Pflegeeinrichtung lebte und für die er regelmäßig einen Obolus zahlte.
Lebensweg soll betrachtet werden
Karl Blaume, der als Herausgeber des Werksverzeichnisses von Adolf Holst und Bekannter der Familie zur Erinnerungsveranstaltung am Samstag anreiste, konnte weiteres Wissen beisteuern. So habe die Frau des Autors als Pianistin auch jüdische Kinder unterrichtet und wohl eine junge Jüdin in ihrem Haus geschützt. Er sei überzeugt, dass die „Ausrutscher“ von Adolf Holst mit seiner nationalen Gesinnung in Zusammenhang stehen. Schließlich habe er den Krieg 1870/71, den Ersten und den Zweiten Weltkrieg als Deutscher erlebt.
In Branderoda sollen nun die Recherchen weitergehen. Ortsbürgermeister Udo Virchow (parteilos) sprach sich dafür aus, den Lebensweg von Adolf Holst als Ganzes zu betrachten. „Wäre es nicht besser, Probleme nicht zu verdrängen, sondern offen darüber zu sprechen und eventuell entsprechende Lehren für die Zukunft daraus zu ziehen?“, sagte der Heimatvereinsvorsitzende Klaus Popko. Da gebe es noch eine Menge aufzuarbeiten. (mz)