IG-Farben-Werke Leuna und Auschwitz IG Farben-Werke in Leuna und Auschwitz: Zeitzeugen gesucht

Merseburg - Seit Monaten hält die Debatte um die umstrittene Widmung einer Merseburger Straße nach dem Wissenschaftler Günther Adolphi Hochschule, Stadt und eine Reihe von Historikern in Atem. Entschieden ist in der zum Teil emotional geführten Diskussion zwar noch nichts. Das erst kürzliche Bekanntwerden von Adolphis Tätigkeit als Unterabteilungsleiter einer Produktionsanlage der IG Farben in Auschwitz-Monowitz während der NS-Zeit hat nun jedoch Studenten dazu animiert, weiter zu forschen.
In ihren Abschlussarbeiten gehen die Studentinnen Teresa Schneidewind und Karolin Kuckelt konkreten Fragen zu den Werken in Auschwitz und Leuna beziehungsweise Schkopau nach, die eng miteinander verbunden waren. „Auf Blut gebaut?“, fragt Schneidewind etwa provokant und untersucht die Bedeutung der IG Auschwitz für den Chemiestandort Leuna. „Aus rein unternehmerischer Sicht gibt es keine Verbindung zwischen dem einstigen Werk in Auschwitz und dem heutigen Standort Leuna“, sagt Schneidewind. Und doch profitierte man doch in der jeweiligen Entwicklung voneinander, ist sie überzeugt.
Verknüpfungen zu wenig untersucht
Aus ihrer Sicht sind die Verknüpfungen jedoch viel zu wenig untersucht worden. „Allein in der jüngsten Publikation, die zum 100-jährigen Jubiläum der Stadt und des Standortes herausgebracht wurde, fallen nur 223 Wörter zu Auschwitz.“ Erste Anhaltspunkte für ihre These habe sie bereits bei Recherchen gefunden. So gab es etwa einen Verbindungsmann, der stets zwischen Auschwitz und Leuna pendelte.
Wie Schneidewind hat aber auch ihre Kommilitonin Karolin Kuckelt, die die Rolle von Frauen in den Werken in den IG-Farben-Werken vergleichen will, ein großes Problem: Die Quellen in den Archiven geben dazu nur sehr wenig preis. Zum Teil ist es für die Studentinnen schon schwierig genug, überhaupt Zugriff zu erhalten. Immerhin half ihnen bereits eine 93-Jährige aus Dessau.
Die Dame hatte einst in Monowitz als Stenotypistin gearbeitet und kannte auch den umstrittenen Günther Adolphi persönlich. „Nach dem Bericht in der MZ über die vermeintlichen Verstrickungen hatte sie einen Brief an die Hochschule geschickt“, erzählt Schneidewind. „Darin berichtete sie von der zuvorkommenden Art Adolphis und dass unmenschliche Handlungen seinerseits ausgeschlossen sind.“ Mit der Seniorin, die einen gewaltigen Leitz-Ordner mit Unterlagen aufbewahrt hat, haben sich die Studentinnen bereits mehrfach getroffen. Aus ihren Erzählungen versuchen sie abzuleiten, wie die Situation damals war.
Studentinnen suchen Zeitzeugen oder Nachfahren
Nun suchen die Studentinnen aber noch weitere Zeitzeugen oder Nachfahren, die über entsprechendes Material zu den IG-Farben-Werken verfügen. Alles ist für sie wertvoll, vom Foto über Briefe bis hin zu Erinnerungen, die es zu erzählen gibt.
Im Übrigen arbeiten die Studentinnen auch eng mit dem externen Gutachter und Historiker Stefan Hördler zusammen, der seine Empfehlung zum künftigen Umgang mit der Straßenwidmung der Hochschule voraussichtlich im Spätsommer vorlegen will.
Zeitzeugen können sich bei der MZ unter 03461/259180 melden. (mz)
