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Historische Bedeutung Historische Bedeutung: Warum eine Autobahn es ins Wappen schafft

Von Robert Briest 20.04.2019, 14:00
Jenseits der Autobahn geht es in Nempitzeher beschaulich zu.
Jenseits der Autobahn geht es in Nempitzeher beschaulich zu. Peter Wölk

Merseburg - „Wappen sind Symbole einer Identität“, sagt Jörg Mantzsch. Der 65-Jährige zählt zu den renommiertesten Heraldikern des Landes. Viele Wappen in Sachsen-Anhalt hat er nach der Wende selbst entworfen. Doch was bedeuten eigentlich die farbigen Flächen, Löwen und abgetrennten Häupter? Herr Mantzsch erläutert die Bedeutung der Wappen von Horburg-Maßlau bis Querfurt, die geprägt sind von der Historie der Region und christlicher Mythologie. Nebenbei erklärt er die Grundregeln der Wappenkunde. Heute unter der Lupe: Nempitz.

Die Vorgeschichte

Bis zu ihrer Eingemeindung nach Bad Dürrenberg 2010 war Nempitz eine eigenständige Gemeinde, die sich aus den ursprünglichen Dörfern Nempitz, Oetzsch und Treben zusammensetzte. 1995, so berichtet Mantzsch, sei die Gemeinde mit der Bitte nach einem Wappen an ihn herangetreten, weil man sich von anderen abheben wollte. Das ist zumindest mit einem Element gelungen.

Ähre, wem Ähre gebührt

Die Ähre ist es allerdings nicht. Sie findet sich in den Wappen zahlreicher Gemeinden. Auf die Fragen, was ihre Besonderheit sei, hätten die Nempitzer geantwortet: „Wir hatten Landwirtschaft“, berichtet Mantzsch. Eine Standardantwort. (siehe Kasten). Kein Wunder, wie der Heraldiker ausführt: „Im 19. Jahrhundert waren 80 Prozent der Gemeinden noch Landgemeinde. Das heißt der Hauptwirtschaftszweig war die Landwirtschaft.“ Aber natürlich könne man nicht in jedes Wappen eine Ähre reinsetzen. Nach der Wende sei das aber noch bei vielen Gemeinden gemacht worden.

Mantzsch: Das Wappen ist für die Gemeinde. Deshalb ist die Hauptfrage: Womit identifiziert sich die Gemeinde? Die wird manchmal durch den Gemeinderat beantwortet. Dann prüfe ich ab, ob die Vorstellungen umgesetzt werden können, ob sie heraldisch korrekt sind. Wenn dies der Fall ist, dann führe ich das in mehreren Varianten aus, zwischen denen die Entscheidungsträger dann auswählen. Danach wird es eingereicht.

In den meisten Fällen wissen die Gemeinden nicht so richtig, was sie als Wappen haben wollen. Da frage ich, was ist die Besonderheit, die Haupteigenschaft, die den Ort kennzeichnet? Viele Antworten dann: „Wir hatten früher mal Landwirtschaft.“ Dann sage ich: „Ach, ihr ward das.“ Das ist natürlich kein Alleinstellungsmerkmal. Deshalb gucke ich mir im Landes- oder Kommunalarchiv an, was vorhanden ist, was für ein Ereignis oder welche Besonderheit kennzeichnet den Ort unverwechselbar. Oder ich gucke, was bedeutet der Name. Kann man dazu einen symbolischen Bezug finden? Alternative gucke ich auch, ob es dort in der früheren Zeit eine bestimmte Herrschaft gab oder besondere Erfindungen aus dem Ort kommen. Dann selektiere ich, was davon lange trägt, wo die Leute also noch in 100 Jahren sagen: „Jawohl, das ist unsere Geschichte.“

Dann setze ich das in symbolischer Heraldik um, mache drei Vorschläge. Einer davon wird dann nach der Auswahl beim Landesarchiv eingereicht. Die Arbeit setzt ein komplexes historisches Wissen voraus. Man muss die alten Schriften lesen können, die teilweise aus dem Mittelalter stammen. Man braucht auch ein landes- und regionalhistorisches Wissen. Das hilft aber alles nichts, wenn man es nicht grafisch umsetzen kann. Man muss als Heraldiker also auch zeichnen können.

Im Takt der Autobahn

Die Abfahrt mag zwar „Bad Dürrenberg“ heißen, doch eigentlich verlassen die Autofahrer die A 9 am Rande von Nempitz. Die hochaufragenden Leuchtschildern des Autohofes kündigen den Ort schon von weitem an. Der Verlauf der sich von unten links nach oben rechts verjüngenden Spitze entspricht dem der in der NS-Zeit fertiggestellten Verbindung Berlin-München bei Nempitz von Südwesten nach Nordosten. Doch ist so ein modernes Symbol überhaupt in der Heraldik zulässig? Das sei umstritten, räumt Mantzsch ein.

Er sei aber der Auffassung: ja. Wappenbilder sollen eine Identität symbolisieren. Da könne man nicht nur mittelalterliche Geräte nehmen, die keiner mehr kennt, wie etwa in Halberstadt die Wolfsangel, eine Vorrichtung, die zur Wolfsjagd verwendet wurde. „Wenn man etwa einen Ort wie Leuna nimmt, der durch die Chemie groß geworden ist, dann ist es richtig, sich darauf auch in den Symbolen zu beziehen“, sagt Mantzsch. Die A 9 werde noch noch ein paar Generationen bleiben und hat eine wichtige Rolle für die Entwicklung von Nempitz.“

Sattes Grün

Das Grün soll das natürliche Umfeld des Dorfes symbolisieren, sagt Mantzsch. Die Kombination von Gold und Grün sei vom Kontrast her zwar nicht optimal, aber heraldisch zulässig. (mz)

Die Autobahn durchkreuzt das Nemitzer Wappen.
Die Autobahn durchkreuzt das Nemitzer Wappen.
Grafik Stadt Bad Dürrenberg