Kurzer Weg zur Hilfe Frauen- und Kinderschutzhaus Merseburg nun auch am Markt und im Netz erreichbar
Das Frauen- und Kinderschutzhaus Merseburg bietet nun eine Beratungsstelle am Markt und im Netz. Das soll Betroffenen den Zugang erleichtern.

Merseburg/MZ - „Es gibt den Begriff der Schattenpandemie. Der meint, dass die häusliche Gewalt in der Zeit angestiegen ist, ohne dass es bemerkt wurde“, sagte Beatrice Brommund. Die Gleichstellungsbeauftragte des Saalekreises geht davon aus, dass die Dunkelziffer solcher Fälle im Kreis hoch ist. Sie will daher zum nächsten Treffen des Arbeitskreises gegen häusliche Gewalt die verfügbaren Fallzahlen aus der Pandemie und von davor von der Polizei und freien Trägern von Hilfsangeboten zusammentragen lassen.
Mit am Tisch sitzt seit vergangenem Jahr auch der BBRZ aus Aschersleben. Der Verein hatte 2020 von der Lebenshilfe das Frauen- und Kinderschutzhaus in Merseburg übernommen. Am Mittwoch nun weihte er ein zusätzliches Angebot ein. Ein, so die Überlegung, niederschwelligeres Angebot für Frauen in Not. Eine Beratungsstelle. Die habe es schon unter dem alten Träger gegeben, aber an anderer Stelle, berichtet Bianka Winkler, die Leiterin des Frauenschutzhauses, die künftig auch die Beratungsstelle betreut. Für die konnte der Verein nun ein Büro, einen schlichten Raum mit Schreibtisch und Sitzecke, in zentraler Lage gewinnen. Am Markt 1 in Merseburg.
„Die Frauen sollen die Chance haben, anonym zu schildern, was sie erlebt haben“
Aus Sicht von BBRZ-Geschäftsführerin Christine Heusch eine ideale Lage: „Wir haben hier den Vorteil, dass noch andere Beratungsstellen im Haus sind, wie etwa die Verbraucherzentrale.“ Es sei für viele Betroffene eine Überwindung, zur Beratung zu gehen. „Das ist ja mit Scham besetzt. Man möchte nicht, dass jemand sieht, dass man Opfer häuslicher Gewalt ist.“
Der Gang zur neuen Beratungsstelle soll da die notwendige Anonymität bieten. Betroffene müssen auch gar nicht physisch nach Merseburg kommen. Neu im Angebot des Frauenschutzhauses ist nun auch eine Onlineberatung. Frauen können sich per E-Mail über die Verschlüsselungsplattform Ecosero an die Beratungsstelle wenden. Sie erhalten dann einen Terminvorschlag. Wenn sie den annehmen, kann Winkler sie per Video oder, wenn gewünscht, auch nur per Ton beraten: „Die Frauen sollen die Chance haben, anonym zu schildern, was sie erlebt haben. Vielleicht finden sie dann die Kraft zu sagen: Ich gehe.“
„Wenn Frauen von häuslicher Gewalt bedroht oder betroffen sind, ziehen sie nicht sofort aus.“
Aus Sicht der Leiterin, die sich die Arbeit im Frauenschutzhaus gemeinsam mit zwei Kolleginnen teilt, ist das eine Möglichkeit, die Beratung auch für Frauen im ländlichen Raum anzubieten, die nicht so einfach nach Merseburg oder zum nächsten Frauenschutzhaus nach Halle kommen können. Ohnehin hält Winkler die niederschwelligeren Beratungsstellen für wichtig: „Wenn Frauen von häuslicher Gewalt bedroht oder betroffen sind, ziehen sie nicht sofort aus.“ Es brauche teils eine gewisse Leidenszeit, der Schritt bedürfe auch Vorbereitung. Es gebe auch Frauen, die, obwohl sie in einem Zyklus häuslicher Gewalt gefangen seien, wieder zu ihren Männern zurückgehen würden. „Auch die wollen wir beraten.“
Das war während der Pandemie in Präsenz teils nicht möglich. Winkler hat in dieser Zeit zumindest eine Verschiebung wahrgenommen: Während des Lockdowns hätten sich wenig Betroffene im Frauenschutzhaus gemeldet, weil sie teils gar nicht die Möglichkeit gehabt hätten, sich jemandem anzuvertrauen oder unbeobachtet zu telefonieren. „Nach dem Lockdown hatten wir dafür aber mehr Anrufe.“
Die Beratungsstelle im Markt 1 in Merseburg ist dienstags von 9 bis 11 Uhr besetzt. Jenseits dieser Zeiten können Betroffene Termine vereinbaren unter 03461/211005 oder auf fsh.ecosero.de.