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Fragen und Antworten zum Faulenzen Fragen und Antworten zum Faulenzen: Schlechter Ruf zu unrecht

Von Robert Briest 12.08.2017, 10:00
Die Jacht läuft zwar nur per Beinantrieb, aber auf dem See lässt es sich dennoch aushalten, finden Stefan Heil und seine Familie.
Die Jacht läuft zwar nur per Beinantrieb, aber auf dem See lässt es sich dennoch aushalten, finden Stefan Heil und seine Familie. Heil

Merseburg - Das Faulenzen hat trotz eigenem Jahrestag, dem Weltfaulpelztag in dieser Woche, einen schlechten Ruf. Zu Unrecht, wie Tabea Scheel, Vertretungsprofessorin Arbeits- und Organisationspsychologie an der Fernuni Hagen, im Gespräch mit Robert Briest erklärt.

Was ist Faulenzen?
Tabea Scheel: Wissenschaftlich definiert ist es die Prokrastination, (das Aufschieben von Arbeit, Anm. d. Red.). Für Faulheit gibt es Umschreibungen. Es gibt ein Persönlichkeitskonstrukt namens Impulsivität. Leute, die impulsiv sind, lassen sich sehr schnell ablenken und gehen eher dem nach, was jetzt Spaß macht. Sie faulenzen auch eher, weil sie keine Lust haben, sich anzustrengen.

Woher kommt das?
Tabea Scheel: Es gibt angeborene Persönlichkeitszüge zur Impulsivität. Es gibt aber auch Menschen, die sich nichts zutrauen. Auch sie neigen dazu, Dinge eher nicht anzugehen. Das kommt aus dem Elternhaus, aus der Sozialisation, der Schule, die ja Leute nicht immer aufbaut.

Faulenzen wird meist kritisch beäugt. Zu Recht?
Tabea Scheel: Wenn jemand in seinem gesamten Leben nur faulenzt und auf Kosten anderer lebt, dann ist das vor allem für die anderen problematisch. Wenn sich jemand immer mal eine Auszeit gönnt, ist das total sinnvoll, dann kann sich das Gehirn wieder erholen. Er lädt seine Ressourcen auf.

Wie lange und oft sollte man Faulenzen?
Tabea Scheel: Die Erholungsforschung sagt, wenn ich acht, neun Stunden gearbeitet habe, sollte ich jeden Abend eine Erholungsphase haben, in der ich auch mental von der Arbeit abschalten kann. Wegen der ständigen Erreichbarkeit und vor allem bei Arbeitskulturen, in denen der Chef auch abends und am Wochenende anruft, schwer. Wie viel jeder braucht, hängt vom jeweiligen Menschen ab und davon, welche Ziele man im Leben hat. Wer mit einem Halbtagsjob zufrieden ist, hat mehr Zeit zum Faulenzen.

Was passiert, wenn ich gar nicht faulenze?
Tabea Scheel: Das hängt von den persönlichen Ressourcen ab. Es geht eine ganze Weile gut, das sieht man an jungen Eltern, die arbeiten. Irgendwann ist man aber runtergebrannt. Schlimmstenfalls fällt man dann länger aus, weil man gesundheitliche Schäden davon trägt. Der Stresspegel kann sich ja nie senken. Der macht krank.

Wie?
Tabea Scheel: Stress heißt ja: Ich bin im Aktivierungsmodus, Adrenalin wird ausgeschüttet. Mein Herz-Kreislauf-System ist angeregt. Wenn das nie zur Ruhe kommt, gibt es keine Erholung. Es gibt das Managersyndrom, dass Leute, die das viele Jahre machen, im Urlaub plötzlich einen Herzinfarkt bekommen, weil ihr System nicht mehr auf Ruhe ausgelegt ist.

Wie sollte man faulenzen?
Tabea Scheel: Da hat jeder spezifische Vorgehensweisen. Wenn ich im Job immer am Schreibtisch sitze, ist es nicht so günstig, mit Chips auf der Couch zu sitzen. Aber auch das sollte man sich mal gönnen. Wobei vor der Glotze sitzen nicht so einen hohen Erholungswert hat. Natur ist gut, soziale Kontakte.

Welche Folge hätte das andere Extrem: nur faulenzen?
Tabea Scheel: Wahrscheinlich verliere ich meine sozialen Bezüge. Ich lebe dann auf Kosten anderer. Das Problem ist, dass wir Menschen gern Feedback von unserer Außenwelt haben, dass wir was machen und dass das gut ist. Das können auch kleine Dinge sein. Aber wenn ich nur noch faulenze, fehlt diese Selbstwirksamkeitserfahrung, ich habe kein Gefühl mehr, was ich kann, wer ich bin. Es gibt Menschen, die schon immer genug Geld hatten, die mit ihrem Leben nicht klarkommen, weil sie nichts machen müssen. Sie werden depressiv, weil sie nicht wissen, wer sie sind.

(mz)