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MZ-Sommerinterview FDP-Fraktionschef in Merseburg: „Wir fordern Ehrlichkeit“

Der FDP-Fraktionschef Lutz Kuhne erklärt im MZ-Sommerinterview, warum er die Erhöhung von Grundsteuer und Kitabeiträgen in Merseburg für notwendig hält.

23.08.2021, 11:30
Lutz Kuhne geht mit der Verwaltung hart ins Gericht.
Lutz Kuhne geht mit der Verwaltung hart ins Gericht. (Foto: Lutz Kuhne)

Merseburg/MZ - Mit drei Mitgliedern ist die FDP-Fraktion eine der kleinsten im Stadtrat. Dennoch zählte sie in den vergangenen Jahren zu den lautesten Mahnern, wenn es um Einsparungen ging. Robert Briest sprach mit Fraktionschef Lutz Kuhne über offene Forderungen und Erwartungen ans Rathaus.

Gemeinsam mit der SPD war Ihre Fraktion in den vergangenen Jahren die lauteste, wenn es darum ging, Einsparungen zu fordern. Jetzt spricht der Oberbürgermeister von einer guten Finanzlage. Ist das Ziel erreicht?

Lutz Kuhne: Die Verlockung ist groß, das zu glauben. Aber die Aussage hat mich eher erschreckt. Wir haben im Rat immer gesagt, wir müssen Ausgaben und Einnahmen betrachten. Wichtiges Thema für uns als FDP sind die Ausgaben für Dienstleistungen Dritter. Da liegen wir immer noch bei neun Millionen Euro.

Hier hatten Sie in vergangenen Haushaltsdiskussionen pauschale Kürzungen um 500.000 Euro gefordert?

Kuhne: Ja, da sagten der OB und Bürgermeister Bellay Gatzlaff dann immer, wir müssen sagen, wo wir da sparen wollen. Das hat mich geärgert, denn es wäre Aufgabe der Stadt. Es gibt natürlich Dienstleistungen, die zwingend sind, Elektro, Wasser. Aber bei anderen Sachen, wie der externen Vergabe von Gutachten, fragt man sich schon, ob man da nicht eigene Expertise hätte. Das Thema Dienstleistungen wird sicherlich bei der Aufstellung des nächsten Haushaltes wiederkommen.

Die SPD-Fraktion hatte lange Zeit Personalkürzungen gefordert...

Kuhne: ... Wir haben in der Verwaltung kein quantitatives Problem, sondern ein qualitatives.

Inwiefern?

Kuhne: Im nächsten Finanzausschuss geht es um die Bewertung des Landesrechnungshofes für die Eröffnungsbilanz der Stadt von 2017. Die ist vernichtend. Da werden viele Fehler aufgelistet. Mit Gatzlaff und der neuen Amtsleiterin für Finanzen, Uta Lorenz, hat sich da schon einiges verändert, vor allem Ehrlichkeit im Umgang mit Finanzen. Man kann aber auch nicht alles mit Gatzlaffs Lieblingsargument erklären: Ich gehe ja mit, dass die finanzielle Ausstattung der Kommunen zu gering ist, aber es ist schon ein Problem, dass keiner der damals zuständigen Mitarbeiter für die Eröffnungsbilanz heute noch zuständig ist.

Zurück zur Ausgangsfrage: Sie teilen nicht die Auffassung des OB zur Finanzlage?

Kuhne: Nein, auch wenn die Zahlen aktuell etwas anderes vermuten lassen. Ja, wir haben zwölf Millionen Euro auf dem Konto, aber er muss doch dazu sagen, dass wir auch Außenstände haben, die dazu führen, dass das abschmilzt. Gatzlaff sagt, bis 2024 schrumpft die Liquidität auf einen sechsstelligen Betrag. Was machen wir dann, wenn wir auch noch die Tilgungsraten für Kredite erwirtschaften müssen? Das bereitet mir Sorgen. Deshalb fragt sich der einfache Stadtrat: Was sagt der OB da? Es drängt sich der Verdacht auf, er will sich nächstes Jahr wieder zur Wahl stellen. Aber wir fordern da Ehrlichkeit, wenn es um Finanzen geht. Die Verwaltung muss einen Haushalt aufstellen, den der Rat dann diskutiert, und sie muss klar sagen, was geht und was nicht.

Der OB hat jüngst gesagt, was er möchte. Eine Beteiligung von Vereinen an den Betriebskosten der Sporthallen. Geht die FDP da mit?

Kuhne: Ja, ich bin dafür, dass sich die Vereine am Betrieb und Erhalt der Sportstätten beteiligen. Auch der MSV Buna und der SV 99, die jetzt das Stadtstadion übernehmen wollen, werden vor dem Problem stehen, wie sie die Kosten erwirtschaften. Mit Mitgliedsbeiträgen allein wird das nicht funktionieren. Da muss man Nutzungsgebühren erheben. Der OB hat vor anderthalb Jahren eine Gebührensatzung versprochen, seit dem hat man wenig getan.

Sie waren 2019 als einer der Wenigen dafür, die Grundsteuer zu erhöhen. Sind Sie es auch heute noch?

Kuhne: Schweren Herzens ja. Liberale sind ja eigentlich nicht für Steuererhöhungen bekannt, aber man muss da zwischen Bundes- und Kommunalhaushalt unterscheiden. Wo soll denn hier das Geld herkommen? Und wenn es überhaupt eine gerechte Steuer gibt, dann die Grundsteuer B, weil sie fast alle Haushalte trifft. Wir müssen den Bürgern klarmachen: Wenn wir uns bestimmte Dinge wie Bibliothek oder Schwimmhalle leisten wollen und uns das Land nicht ausreichend Geld gibt, müssen wir es anderweitig einnehmen.

Sehen Sie noch andere Möglichkeiten, die Einnahmen der Stadt zu erhöhen?

Kuhne: Die Beiträge für Kitas, aber da will niemand ran, auch wenn wir sie seit Jahren nicht angefasst haben. Die könnte man moderat erhöhen, man muss ja nicht gleich Hunderte Euro hochgehen.

Themenwechsel: der Markt. Der OB bat zuletzt um Ideen, wie die Südflanke bebaut werden kann. Was ist Ihre?

Kuhne: Von der von ihm vorgeschlagenen kleinteiligen Bebauung halte ich gar nichts. Ich bin seit 77 Jahren Merseburger. Wenn man den Stadtkern wieder herstellen will, der Markt als urbanes Zentrum funktionieren soll, muss die Südseite wieder mit einem Gebäude geschlossen werden. Ich verlange aber nicht, dass das Rathaus dort historisch korrekt wieder aufgebaut werden soll.

Dennoch bliebe es ein Millionenprojekt. Wer soll das machen?

Kuhne: Wahrscheinlich geht es wie bei der „Sonne“ nur über private Investoren. Die Stadt selbst kann es nicht, aber sie kann prüfen, ob sie Fördermittel für die Wiederherstellung historischer Bausubstanz bekommt, um den Bau zu unterstützen.