Abenteuer am Klavier „Extrempianist“ lässt Merseburger Gotthardstraße in schillernden Melodien erklingen
Der Pianist und Komponist findet sich zu einem spontanen Freiluftkonzert in Merseburg ein.

Merseburg - Ungewohnte Töne hallen am Nachmittag durch die aufgeheizte Luft in der Gotthardstraße: Perlende Klavierklänge schweben mit dem leichten Wind durch die fast menschenleere Einkaufsmeile. Schillernde Arpeggios und volle Akkorde entlockt der Mann am Klavier seinem Instrument, das er im Schatten der Ladenzeile aufgestellt hat.
Klaviere in Bäumen: Wille zum Abenteuer ist auch mit zusätzlicher Arbeit verbunden
Wer da spielt, ist kein einfacher Straßenmusiker: Andreas Güstel ist Teil des Kompositionsduos „Be-Flügelt“, das bereits Konzertsäle in ganz Deutschland gefüllt und mit unkonventionellen Auftritten für Aufsehen gesorgt hat. So bezeichnen sich Güstel und sein Kompagnon Julian Eilenberger selbst auch als „Extrempianisten“. Sie hätten ihre Instrumente schon aufeinandergestellt „und einer spielt oben, einer unten oder einer hangelt sich runter“, erzählt der Musiker.
Mehrfach hätten sie ihr Klavier an Bäumen aufgehangen: „Da guckst du nach oben und denkst, hoffentlich fällt das Scheißding jetzt nicht runter“, sagt er mit einem schiefen Grinsen. Der Wille zum Abenteuer ist auch mit zusätzlicher Arbeit verbunden. So habe er nach einem Auftritt bei strömendem Regen jede Taste herausgenommen, mit einem Föhn getrocknet - „und am nächsten Tag saß ich mit einer Feile an jeder Taste, denn die dehnen sich ja aus“, sagt der Pianist, dem das Geschichtenerzählen fast genauso liegt wie die Musik.
In Merseburg kommt man mehr mit Leuten ins Gespräch, als in Leipzig
Und Geschichten produzieren die „Extrempianisten“ mit ihren Aktionen am laufenden Band: Die beiden spielten bereits an einem brennenden Klavier, im vergangenen Winter hätten sie Piano auf Kufen gestellt und damit die zugefrorenen Leipziger Kanäle befahren, erzählt Güstel. Aktuelles Projekt von „Be-Flügelt“ ist das „Tastdem“ - ein Klavier auf einem Anhänger, der sich an ein Fahrrad hängen lässt. „Damit fahren wir 1.200 Kilometer die Elbe entlang. Ohne Motorantrieb: Wir wollen, dass die Leute ihr Rad einfach vorne einhängen, uns ziehen und wir spielen dann sozusagen Fahrradradio“, sagt der Musiker.
In Merseburg ist er nicht zum ersten Mal. „Total offen“, erlebe er die Stadt. „Dadurch, dass es eine kleinere Stadt ist, kommt man viel mehr ins Gespräch als in Leipzig“, sagt er. Und die Menschen lassen sich gerne von seiner Musik berühren, so scheint es. Selbst, als er schon aufgehört hat zu spielen, kommen noch Passanten und werfen Geld in seinen Hut. „Dankeschön. Geld für nichts, aber super“, ruft der Pianist einem von ihnen lachend hinterher. (mz)